Noch ein Kind Stille, nur das silberne Blinken der schwachen Dünung lässt erahnen, welch Schicksal uns wird winken, was wir heute noch erfahren. Schwere Kollosse und Giganten gleiten schweigend aufeinander zu, leise knarren geteerte Wanten, sonst herrscht tödliche Ruh. Weiße Nebelschwaden verhüllen noch machtvoll, gelbschwarze Rücken, nur, wo im milchigen Grau ein Loch, lässt Mast und Rah sich blicken. Lustlos flappen im lahmen Winde, Flaggen, Banner und Standarten, gleich einem gelangweilten Kinde sie auf das Ereignis warten. Schwer kriecht aus kaltem Dunst ein Zweidecker-Linienschiff hervor, Topsegel gesetzt, nutzend die Gunst der auflebenden Brise Korridor. "An Deck, feindlicher Verband in Sicht!" Schallt es plötzlich aus dem Mast, ein Ruf, der friedliche Stille bricht, ein Laut, der das ganze Schiff erfasst. Ein Knabe, kaum älter als zwölf Jahr, stolpert über's hohe Achterdeck, sein windzerzaustes dunkles Haar weht im Lauf, unbändig und keck. Gestrengen Blickes tritt der Admiral an das Kind in Uniform heran, seine herrischen Worte klingen banal: "Benehmen Sie sich wie ein Mann!" "Was soll denn die Mannschaft denken, wenn Sie über ihre eigenen Füße fallen, wie wollen Sie den Pöbel lenken, wenn erst die Geschütze knallen?" "Sie sind ein Offizier des Königs, handeln Sie ruhig und bedacht, führen Sie die Männer der »Phönix« mit gutem Beispiel in die Schlacht!" Der Junge starrt den Admiral mit großen staunenden Augen an, an Gott und König reicht nun mal allenfalls der Kommandant heran. Gerade ihn, den Fähnrich zur See, spricht der Admiral heute an; ob er wohl diese Begegnung je in seinem Leben vergessen kann? »Phönix«, seiner Majestät Linienschiff dreht den mächtigen Klüverbaum nach Luv, in den ersten Angriff, lässt der folgenden Flotte noch Raum. Quietschen und verwehtes Rumpeln tönt, als die Kanonen aus den Pforten fahren, dumpf über den dichten Nebel dröhnt, das anschwellende Trommelschlagen. Befehle kurz und knapp erschallen, Matrosen huschen in die Wanten, die morgendlichen Nebelschleier fallen, weichen dem Nahkampf der Giganten. Rasch werden Netze aufgeriggt, um fallende Trümmer zu bremsen, denn Kugeln, die der Feind schickt, durchschneiden Taue, wie Sensen. Voll beflaggt ist jetzt das Meer bis zum Horizont mit weißen Segeln, dazwischen ist ein Raum noch leer, frisch gelichtet von den Nebeln. Des Schiffes goldene Galionsfigur glänzt matt im zunehmenden Licht, ihr Blick, aus kalten Augen stur, auf des Feindes Wasserlinie gericht'. Barhäuptige Matrosenleiber warten hinter den Geschützen, Offiziere mit heldenhaftem Eifer lassen polierte Säbel blitzen. Gewichtig sich die »Phönix« dreht, in den hoch auffrischenden Wind, der ablandig von Westen weht, sich wie eine launische Frau benimmt. Das Schiff entschlossen sich zwischen die feindliche Linie schiebt, unaufhaltsam, ja fast feierlich, mit breitem Bug durch die Wellen siebt. Der Admiral tritt ans Achterschott, mit erhobenem Degen in der Hand: "Männer, Ihr kämpft heute mit Gott, für König und Euer Vaterland!" "Hoohoo, Wahrschau an Deck, Signal vom Flaggschiff, Sir," ruft der Topgast von oben keck, "viel Glück und frohe Wiederkehr!" Endlich lässt der Kommandant, dort bei Rudergast und Steuer, herabsinken seine Degenhand: "In der Aufwärtsbewegung, Feuer!" Ein Krachen zerreißt den Frieden, erschrocken flattern Möwen auf, den hohen Masten sie entfliehen, mit wildem Kreischen und Gebraus. Donnerschlag nun auf Donnerschlag entfährt dem hölzernen Bauch, der Rumpf ruckt, neigt sich stark, spuckt Feuer jetzt und Rauch. Gelbrot stechen Feuerlanzen über bleigraue Wasserflächen, krachen in des Feindes Schanzen, wo Rahen nun und Masten brechen. Auf dem ganzen Deck ringsum erschallt Hurra und Jubelschrei, das sogleich wieder verstummt, der Kampf ist noch nicht vorbei! Der Feind, vom Angriff erwacht, gibt gnadenlose Antwort jetzt, feuert einzeln nun, mit Bedacht, Schuss um Schuss, gezielt gesetzt. Pfeifende Kettenkugeln brausen in die ungeschützte Takelage, Taue peitschend herniedersausen, auf die Achterdeckpassage. Dann knirscht und prasselt's oben, im stehenden und laufenden Gut, der ganze Mast hat sich verschoben, weicht der Feindeskugeln Wut. Schreiende Matrosen und Trümmer fallen auf das Deck und in das Meer, grelle, schmerzliche Schreie hallen, Tuch und Mast liegen kreuz und quer. Schon donnert aus dem Rumpf die nächste volle Breitseite, schlägt in den Feind, böse, stumpf, fährt ihm in seine Eingeweide. Laden, Feuern, wieder Auswischen, kaum, dass man noch atmen kann; Gebrüll und beißender Rauch mischen sich zum unerbittlichen Wahn. Flinke Zimmerleute richten schnell einen rohen, behelfsmäßigen Mast, dazwischen jault und surrt Schrappnell, das tödlich über's Schiffsdeck rast. Im Schmerz verkrampft winden sich Körper, blutig und entstellt, Glück denen, die sogleich finden, den ewigen Frieden dieser Welt. wehe aber jenen, die da trägt, der Schiffsarzt in's finstre Unterdeck, denen er Glieder vom Leibe sägt, in Dunkelheit, Gestank und Dreck! Der Admiral ruft dazwischen: "Alle Mann an Deck, klar zur Wende!" Um Feindeskugeln zu entwischen, entern Matrosen auf, behende. Nur allmählich, sichtlich schwer dreht der mächtige Zweidecker zur feindlichen Heckgalerie quer, im fegenden Schrappnellgeschmetter. Dann endlich schauen die Kanonen hin, zu des Feindes Heckaufbau, des Admirals List ist gelungen, der Feuerabstand passt genau. "Feuer frei, auf höchste Neigung!" Schon brüllt die Schiffsartillerie mit totbringender Vernichtung in die prunkvolle Heckgalerie. Dort rasen die Kugeln fürchterlich durch die Decks mit Gebraus und verwandeln das Feindesschiff in ein sterbendes Schlachthaus. Blut fließt dort in roten Strömen aus allen Luken und Speigatten, das Schiff selbst hört man stöhnen, schon verlassen es die Ratten. "Steuerbordgeschütze fertigmachen!" So hört man den Admiral streng, der schon beim letzten Kanonenkrachen gleich eine neue Gefahr erkennt: Ein Zweidecker, groß und mächtig, bricht aus den feindlichen Reihen, wie die »Phönix« genauso prächtig, verziert mit goldenen Schnitzereien. "Herr Fähnrich", ruft der Admiral, "drehen Sie das Schiff in den Wind, bischen lebhaft, verdammt noch mal, Sie sind ja immer noch ein Kind!" Wieder staunt der Junge gebannt; der Alte hat ihn tatsächlich noch einmal wiedererkannt, ihn, der doch so klein und schmächtig. Er spürt die ernste Situation und besinnt sich seiner Aufgabe, läuft rasch auf seine Station, gibt dem Rudergast die neue Lage. Das ganze Deck neigt sich tief nach Steuerbord in den Wind, wieder dreht das schwere Schiff, dorthin, wo die Feinde sind. Hinter den Stückpforten warten schon, mit Lunten, die bereits brennen, die Kanoniere auf den Signalton, um die Geschütze auszurennen. Doch vom Feinde her schon flammt, eine blitzend gelbrote Feuerwand, bevor die Kanonen ausgerannt, schlagen Kugeln in die Bordwand. Der schwere Rumpf erzittert stark und bebt in all seinen Planken, unter der Eisenkugeln Einschlag gerät das große Schiff ins Wanken. Geschütze, Menschen und Splitter fliegen auf dem Deck umher, im gnadenlosen Kugelgewitter bleibt kaum noch eine Gegenwehr. Matrosen über's Geschützdeck hetzen, in einer neuen Kanonade Donnerton, Wanten, Männer und Segel zerfetzen, Verletzte kriechen schreiend davon. Jedem, der vor Angst zitternd versucht, das schützende Bordluk zu erreichen, verwehren Seesoldaten die Flucht, brutal sie jeden zurückscheuchen. In Rauch, Geschrei und Geknall, steht fest, wie eine Steinskulptur, mit eisernem Blick der Admiral, gleich einer überweltlichen Kreatur. Sein weises Auge streng überwacht das grausame Schlachtgeschehen, er weiß genau, welcher Übermacht seine Männer heute gegenüberstehen. Überall, soweit sein Auge reicht, liegen seine Schiffe im Gefecht, doch keine Seite die Flagge streicht, jeder glaubt an sein Völkerrecht. Er sieht, wie seine loyalen Offiziere allmählich das Chaos besiegen: Gnadenlos über ängstliche Kanoniere lassen sie wild die Peitsche fliegen. Sein Blick sieht auch den Jungen, dem, obwohl er noch ein Kind, ohne Peitschenhieb ist gelungen, dass die Geschütze in Stellung sind. Da kommt rasch, ungeahnt lägsseits auf, das verhasste Gegnerschiff; Enterkommandos sind schon bereit, zum Wiederstand brechenden Angriff. Seesoldaten auf beiden Seiten, sieht man in den Wanten stehen, oder auf der Reling reiten, über die Musketen spähen. Schon peitschen die ersten Schüsse gut gezielt über das Achterdeck, und im Sturm wahrer Kugelgüsse, steht stolz der Admiral im Heck: "Enterkommando nach Steuerbord!" Sofort stürmen mit lautem Gebrüll, auf des kleinen Fähnrichs Wort, die Matrosen über's Ankersüll. Dann krachen die beiden Rümpfe mit haltloser Wucht aneinander, Rahen zerbrechen zu Stümpfe, Planken splittern aus Palisander. Unter lautem Brüllen und Geschrei schwingen Enterer Säbel und Degen, in wild aufbrausender Barbarei, stürmen heran, rauh und verwegen. Der Admiral erspäht den Jungen, mitten im dichten Kampfgetose, mutig ist er dort vorgedrungen, ein Knabe, in viel zu großer Hose! Er sieht beeindruckt und mit Stolz, das Kind kämpfen, so verbissen, dort, beim gesplitterten Plankenholz, wo sein Hemd schon zerrissen. Doch heimlich wird beschützt, bewacht, der kleine Fähnrich von seinen Mannen, die alle Feinde zu Fall gebracht, die allzu sehr in seine Nähe kamen. Solch hilfreich loyales Männerschild, bemerkt der Admiral geschwind, erwirbt man sich als gutes Vorbild, als mutiger Mann, nicht als Kind! Dennoch bangt er um den Jungen, den die Feinde immer mehr bedrängen, noch ist der Mannschaft nicht gelungen, das Enterheer zu versprengen. Plötzlich ein ohrenbetäubender Knall, über kämpfende Männer hin fährt's, und ein Feuerball steigt auf einem Mal aus dem Feindesschiff himmelwärts. Riesige Flammen lecken mit Rage, kommen aus dem Rumpf geschosen, erfassen rasch Segel und Takelage, wohl ward das Magazin getroffen. Entsetzt weichen die Angreifer und fliehen heillos durcheinander; Matrosen jagen sie mit Eifer zurück auf ihren Brander. "Sofort die Entertaue kappen!" schreit eine junge Stimme über's Deck. Drüben flüchten schon die Ratten, doch die »Phönix« dreht nicht weg. Immer näher kommt die Feuerwand, gleich werden Funken überspringen, setzen auch die »Phönix« in Brand, alle werden mit dem Tode ringen... Da fasst der Knabe all seinen Mut und hetzt zu den unteren Geschützen, wo geladen noch, und ausgeruht, Männer hinter den Kanonen sitzen. "Leute, alles zu mir nach Steuerbord, und feuert, Männer, was Ihr nur könnt!" Eine Kinderstimme - eines Mannes Wort, verhindert, dass sein Schiff verbrennt. Im Donnern und echoenden Krachen der schwerden 32-pfund-Geschütze, spürt man das Schiff erwachen, und abdriften, von des Branders Hitze. Die See brodelt wild und zischt, Feuersturm rollt über die Wellen, zwischen den Schiffen schäumt die Gischt, wo noch die Musketen bellen. Noch einmal laden die Kanoniere, und warten auf des Jungen Zeichen, wuchten dann, wie wilde Stiere, die Geschütze in die Weichen. Eine volle Breitseite kracht dem brennenden Feind entgegen, und fährt mit vernichtender Macht in seine Spanten und Streben. In nicht enden wollendem Rauch und eiskalter, zischender Flut, vergeht des Feindes letzter Hauch, versinkt die gefährliche Glut. Allmählich neigt sich die Schlacht ihrem erlösenden Ende. Verletzte werden jetzt gebracht, zum Arzt ins Unterdeck behende. Irgendwo im dahinziehenden Rauch donnern vereinzelt noch Kanonen, Nebelschwaden wandern wie ein Hauch, in dem die Geister der Toten wohnen. Überall treiben Trümmer und Leichen auf den rosasilbrigen Wasserflächen; wohin tränenerfüllte Augen auch reichen, durchzogen von tiefroten Bächen. Eimerweise fließt noch das Blut, lange Zeit nach der Schlacht, als des Menschenleids innere Glut, in den blaugrünen Meeresschacht. Und doch werden schon aufs neue die Geschütze wieder voll bestückt; Krieg kennt weder Pause noch Reue, Menschenwerte sind weit entrückt. Der kleine Fähnrich beobachtet still, wie man das Schanzkleid repariert, sein junger Geist nicht glauben will, was in dieser Schlacht war passiert. Er sieht den ersten Offizier geradewegs auf sich zugehen: "Fähnrich zur See, bitte folgen Sie mir, der Admiral will Sie sehen!" Des Knaben Herz schlägt bis zum Hals, hatte er irgend etwas falsch gemacht, beging er einen Fehler, als er das Schiff an den Wind gebracht? Vor der großen Kajüte bleibt er stehen, vor Angst schweißnass im Gesicht. Er sieht hohe Offiziere hinausgehen, hielten sie schon über ihn Gericht? Der Schiffsarzt kommt an die Tür, bedeutet ihm, leise einzutreten. "Sir, der Fähnrich ist jetzt hier, Sie hatten mich darum gebeten..." Der Junge erkennt mit einem Mal, welch ein Verlust war zu beklagen, und hört des Königs Admiral mit leise gebrochener Stimme sagen: "Leutnant, treten Sie näher heran, ich möchte Ihnen noch etwas sagen. Sir, Sie wurden heute ein Mann, und haben sich sehr tapfer geschlagen!" "Durch ihr mutiges, entschlossenes Handeln und Ihrem großen Einsatz mit Bedacht, wird dieser Krieg sich für uns wandeln, Sie allein gewannen diese Schlacht." "Sie fallen jetzt nicht mehr blind über Ihre eigenen Füße ohne Plan, Sie sind nicht länger ein Kind, Sie sind von heute an ein Mann!" "Leutnant, ich werde wohl nicht mehr das Aufgehen der Sonne erleben, darum, Sir, bitte ich Sie sehr, meinen Degen an sich zu nehmen:" "Führen Sie ihn mit stolzer Hand, halten Sie die Treue unserer Majestät, kämpfen Sie für unser Vaterland, solange noch Wind die Segel bläht!" Da erschlaffen des Admirals Glieder, ein Lächeln steht ihm noch im Gesicht. Der Arzt schließt seine Augenlider, bevor er löscht das Kerzenlicht. Der Junge schaut noch lange gebannt auf das Ruhelager, sichtlich verwirrt. "Sir, sagten Sie zu mir Leutnant?" Es raunt der Arzt, der es gehört: "Der Admiral hat es so bestimmt, er sah in Ihnen jetzt den Mann, und nicht mehr nur das Kind, das noch nicht alleine stehen kann:" * Allein steht der junge Leutnant nun an Deck im frischen Wind, den Degen krampfhaft in der Hand, an die Schlacht er sich besinnt: "Wenn um zu werden ein Mann, soviel Tod und Leid nötig sind, großer Gott, ich glaube, dann bleibe ich lieber noch ein Kind!" |
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