Heilige Rose der Liebe
Sternchens Geburtstagsgedicht

Einst stieg ich dort im Wallisland
den hohen, weißen Bergen zu,
mein Herz war schwer, ich fand
weder Liebe, noch innere Ruh'.
Rastlos wandernd, einsam sucht'
ich nach Stille und nach Frieden;
der Weg hier herauf, diese Flucht,
war letztlich mir geblieben.

Das Glück hatte mich verlassen,
meine Hoffnung war verbrannt,
mein Leid konnte ich nicht fassen,
es brachte mich um den Verstand.
Nur noch Kälte, Leere, Einsamkeit,
Vergessen, war jetzt mein Ziel,
die Liebe zu hassen, war ich bereit,
für meiner Seele Trauerspiel.

Mein Schritt führte mich hinan,
vom Val d' Hérens, via Bricola,
dort, wo das ewige Eis begann,
war ich dem Himmel schon so nah;
höher stieg ich an Grates Firn,
bis über mir der Gipfel stand,
mir bot seine eisige Stirn,
Dent Blanche ward er benannt.

Eisig kalt war es dort oben,
und ein Himmel, blau, wie Stahl,
spannte sich im hehren Bogen
über des Gipfelbaus Portal.
Ich rastete am luftigen Grat,
neben mir der Abgrund war,
tief unter mir den langen Pfad
meiner Einsamkeit ich sah.

Plötzlich, ich wollte gerade gehen,
am Berg ein Wunder geschah:
Im Schnee sah ich so einsam stehen,
diese Blume, so hell und klar.
Eine Rose aus Kristallen von Eis
glitzerte wie tausend Diamanten,
auf des Firnes reinem Weiß,
im hohen Reich der Giganten.

Ihr strahlend funkelndes Kleid
versprühte helles, pures Licht,
in dem die Hoffnungslosigkeit
und der Kummer rasch verlischt.
Aus ihrer zarten Blüte strömte
wie ein Zauber, wunderbar,
ein Gefühl, das ich ersehnte,
für mein krankes Herz immerdar.

Ich nahm die eisgewordene Blüte
als eine geheimnisvolle Gabe,
und dankte meiner Berge Güte,
dass ich sie gefunden habe.
Doch kaum, dass ich sie besaß,
verwandelte sich der Rose Eis
in feinstes, filigranes Glas,
der Berge Wunder zum Beweis.

Weiter stieg ich nun bergan,
mit meinem gläsernen Schatz,
ahnte noch nicht, was begann,
auf dem nächsten Felsabsatz.
Tiefe, schwarze Wolkenwogen
hatten sich dort hochgebauscht,
sie kamen plötzlich hergezogen,
im kalten Sturm herangebraust.

Im Felsspalt, schmal und klein,
suchte ich Schutz vor dem Wetter,
drückte mich an kalten, grauen Stein,
lauschte Stürmen und Geschmetter.
Um mich war nur Heulen und Toben,
mit Schnee brauste ein Orkan
über den Gipfelbau von oben
an meinen Unterschlupf heran.

Im Donnerschlag des Gewitter
zog ich die neue Wunderrose
mit meiner Hände Angstgezitter
aus dem Saume meiner Hose.
Der Glasblüte strahlender Schein
funkelte in meiner kalten Hand,
spiegelte sich im nassen Stein,
erleuchtete Grat und Wand.

Sogleich hielt das Stürmen inne,
und aus dem stummen Wolkenmeer
trat mit mahnender Donnerstimme
ein weiser, alter Mann daher.
Im abgetragenen Mönchsgewand,
flickenbehaftet hundertfach,
der Geheimnisvolle vor mir stand
und eindringlich zu mir sprach:

"Ich bin der Bischhof Theodul,
des Wallis geistiger Hüter,
ich wache hier am Felsenstuhl
über des Landes teure Güter.
Ich bin der Hoffnung Verfechter,
der Liebe und des Glückes Pfand,
ich bin der heiligen Rose Wächter,
die als Geschenk ich Dir gesand.

Diese Rose ließ ich Dich finden,
verwandelte sie von Eis in Glas,
die Liebenden soll sie verbinden,
vergehen jedoch in Trauer und Haß.
Behalte sie nur dann im Glück,
wenn Du sie Deiner Liebsten schenkst,
doch trage sie schnell zurück,
wenn Du noch an Trauer denkst!

Behalte die gläserne Rose nicht,
bist Du ohne Liebe und Glück,
weil sonst der heilige Zauber bricht,
bei Deinem Gang ins Tal zurück.
Sie verwandelt sich wieder zu Eis,
das dann als Wasser Dir entflieht,
und statt der wahren Liebe Preis,
bleibt nur des Sturmes Trauerlied.

Nur mit der Liebe Zuversicht
bleibt die Rose in Glas bestehen,
doch hältst Dich an die Regel nicht,
wird das Wunder rasch vergehen!"
Mit diesen Worten hob der Mann
die alte, knochige Hand empor,
alsgleich zogen Wolken heran,
in deren Dunst er sich verlor.

Wieder war ich am Grat allein,
in des Wetters tosendem Gebraus,
und sah nun erleuchtet ein:
Mit dem Gipfelgang ist es aus.
Beim Abstieg auf verschneiter Führe,
legte ich das gläserne Wunder
wieder vor des Berges Türe,
und blickte erstaunt hinunter:

Vom Gletscher heraufgeflogen,
kamen warme, föhnige Winde,
die alle Wolken rasch verschoben,
über den Berg hinfort geschwinde.
Und wo die Rose war gelegen,
lugte jetzt ein grauer Stein,
aus dem Firnepelz verwegen,
konnt's ein Traum gewesen sein?

Tief beeindruckt vom Geschehen,
das mir den Weg ins Leben wies,
konnte ich wieder Hoffnung sehen,
sah ich hier oben das Paradies.
Fortan suchte ich überall
nach einer neuen Liebe Glück,
es zog mich dennoch manches Mal
zu den Viertausendern zurück.

Lange träumte und hoffte ich,
sehnte mich nach Zweisamkeit,
dann, eines Tages traf ich Dich,
nach dieser langen, einsamen Zeit.
Gefunden habe ich sie nie wieder,
diese heilige Rose der Liebe,
nur des Sturmwinds ewige Lieder
hörte ich in des Schnees Gestiebe.

In Gedanken blieb ich immer
bei dieser Blume, wunderlich,
und heute steht im Zimmer
ihr Replik allein für Dich.
Dem heiligen Theodul sag Dank,
denn Hoffnung gibt er uns zurück,
wann immer wir im Herzen krank,
er bewacht auch unser Glück!

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