Die alte Kinbrücke


Wo beim Staldendorf sich teilt
das Tal in Saas und Matter,
wo schon Napoleon geweilt
im kühnen Fahnengeflatter,
spannt im Kanton Wallis oben
über wilden Gletscherfluten,
sich Dein steinerner Bogen,
Dein Weg historischer Routen.

Du Viadukt aus uralter Zeit
stehst hier nur noch zur Zier,
der neue Weg, geteert und breit
ragt aus Beton heute über Dir.
Den Pfad, den Du einst getragen,
bedeckt Staub und Vergessen,
nur der Vispa Sprühnebel wagen
Deinen grauen Stein zu nässen.

Heute erklimmen blütenreiche Ranken
Deine Felsmauern, grün bemoost,
Dein greiser Fuß steht ohne Schwanken
dort, wo das Schmelzwasser tost.
Aus dem lauten Toben und Schäumen
Hört man Klänge aus uralter Zeit,
die emporsteigen und träumen
im Chorgesang der Ewigkeit.

Noch heute schwelgt ein Traum
im Lied Deiner langen Geschichte,
von Deines Pfades engem Saum
erzählen Sagen und Gedichte.
Ein altes Märchen uns berichtet,
vom einst stillen Dörfli Stalden,
als man Dich damals errichtet,
zwischen Felsen und Arvenwalden.

Damit in hoher Festigkeit
Dein Pflaster sich aufschichte,
man Eier in tiefer Frömmigkeit
unter Stein und Mörtel mischte.
Doch Dein Bau, der war teuer,
für den Arbeitslohn reichte nicht
das Säckli der Gemeindesteuer,
nach der alten Sage Bericht.

Die Arbeiter an Geldes Stelle
einen Fissel Körner- Samen,
oder einen Batzen silberhelle
zum Tageslohn bekamen.
Als auch dieses letzte Gut
der Staldner war verbraucht,
hatte sich ihr kühner Mut
an Deinen Säulen fast verraucht.

Ein Wahrsager brachte Rat,
und erzählte von dem Hort,
den er im Traum gesehen hatt',
an so geheimnisvollem Ort.
Nahe Törbel, im Blattmattgrund
sollte dieser Goldschatz sein,
nach altem Wert zehn Pfund
brächte er den Dörflern ein.

Man ging sogleich zu suchen,
so tut uns die Sage kund,
zwischen Arven, Birken, Buchen,
den Schatz im Alpengrund.
Der Weise hatte wohl geraten,
man fand das besagte Gold,
und konnte mit den Dukaten
wieder zahlen Lohn und Sold.

Vollendet wurde Dein Bogen,
der Staldner lang gehegte Traum.
Über brausende Gletscherwogen
führte nun Dein hoher Saum.
Seither waren Viele geschritten
über Dich in's Gletschertal,
auch fremde Kaiser kamen geritten,
hoch zu Roß, anno dazumal.

Was könntest Du uns erzählen,
von den längst vergangenen Tagen,
über all diese vielen Seelen,
die Deine Steine sicher getragen.
Mancher Brief das Tal hinan
diesen Weg über Dich genommen,
der nach entsetztem Lesen dann
unter Dir kam durchgeschwommen.

All das ist heute Vergangenheit,
Du wirst nur noch vom Wind berührt,
der mit einer neuen, schnellen Zeit
Dich dem Menschenlärm entführt.
Doch wenn der Berge Firne glühen,
in der roten Abendsonne Glanz,
benetzt der Wildwasser Sprühen
wie eh und je Deinen Mauerkranz.

Das Lied, das Hirten gesungen,
auf Deinem schlanken Rücken,
ist noch lange nicht verklungen.
Es klingt auf den alten Brücken,
über die noch Herden gehen,
und es wird weiterklingen,
solange die weißen Berge stehen,
solange Menschen Lieder singen.

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