Mein Sonnenstein


Teil 1
1989

Dort oben, hoch im Wallisland,
versteckt auf luftigem Grat,
wo selten eines Menschen Hand
bisher noch hingefunden hat,
dort, unter pennischer Sonne liegt,
im still verborgenen Winkelein,
ein großer, flacher Felsgranit,
mein geheimnisvoller Sonnenstein.

Hoch über'm Mattervispatal,
wo der Ort St. Niklaus steht,
wirft sich auf, schir vertikal,
der mächtige Grathang, windumweht.
Von Grächerdorf und Gasenried,
wo ich beinahe schon daheim,
hinauf sich eine Pfadspur zieht,
zum hochgelegenen Sonnenstein.

Weit über die Gletscher weht
der Wind sein heimliches Lied,
meine innere Angst mit ihm geht,
mit den Wolken sie von dannen zieht.
In des Riedgletschers hellem Glanz,
steht dort oben, wie ein Schrein,
in der Viertausender hohem Kranz,
mein versteckter Sonnenstein.

Des Steines Geist und Mysterium,
habe ich vor Jahren schon erkannt,
als ich wanderte am Berg herum,
zur Ruhelosigkeit verbannt.
Als dieser Fels sich annahm,
meiner belastenden Grübelei'n,
meines Kummers, meiner Sorgen Gram,
da wurde er mein Sonnenstein.

Er wurde für meine Probleme
Zum bequemen Abladeplatz,
darum diesen Fels ich nehme,
für Verständnis zum Ersatz.
Er hört still, geduldig mir zu,
wenn ich klage, schimpfe oder wein',
meine Seele brachte er stets zur Ruh',
mein wunderheilender Sonnenstein.

Jedes Jahr kehre ich wieder,
an diesen friedlich ruhigen Ort,
lege meine Sorgen darnieder,
und ziehe dann wieder fort.
Stets bin ich danach befreit,
kann wieder zuversichtlich sein,
mein Kummer und mein Leid,
behütet still mein Sonnenstein.


2. Teil
1994
für mein Sternchen

Zur Eggeri führt von Grächen aus,
durch den Riederwald der Weg,
von dort folgst Du dem Gebraus'
vom Riedbach es herüberweht.
Folge dem Pfad bis zum Gletscher,
am Bach entlang wird's steinig sein,
zum Alpja über's Moränenwehr,
geht's weiter zu meinem Sonnenstein.

Vor dem Alpja der Weg sich teilt,
hier steigst Du ab im Arvenwald,
am nächsten Wegkreuz sich steilt,
dann der Pfad hinauf, schon bald.
Vorbei am Fels im dichten Tann',
auf engem Steig, via Stock und Bein,
gelangst an manchen Ausblick dann,
auf dem Weg zum Sonnenstein.

Plötzlich dort ein Holzkreuz ragt,
hoch über Dir auf Felsenwand,
hast Du bis jetzt nicht verzagt,
schaust Du hier ins weite Land.
Halte möglichst bergwärts stets
die Richtung nun zur Sonne ein,
über Gras und Felsterrassen geht's
zu meinem lichten Sonnenstein.

Dann siehst Du an den Spitzen
eines Felsens oben am Grat,
einen großen Steinmann sitzen,
gleich einem wachen Grenzsoldat.
Diesen Fels nun links umschreite,
nahe am Abhang mußt Du sein,
ab dem großen Felsen- Ei steige,
hinauf zu meinem Sonnenstein.

Halte stets Dich an die Zeichen
der Sonne und des roten Bären,
von ihnen darfst Du nicht weichen,
sonst wird das Ziel sich Dir verwehren.
Mit Farbe sind sie angebracht,
leuchtend bunt und klein,
sind als Wegweiser Dir gedacht,
vom Gratfels zum Sonnenstein.

Heute zeige ich Dir den Schatz,
zusammen steigen wir hierher,
zu meinem geheimnisvollen Platz,
doch Du findest ihn öde und leer.
Seine Bedeutung ahnst Du nicht,
seinen Wert kenne nur ich allein,
den Wert vom inneren Licht,
es leuchtet aus dem Sonnenstein.

Für mein verborgenes Vermächtnis
ist er wichtig und bedeutungsvoll,
er hütet mein stilles Geheimnis,
das er nur Dir preisgeben soll.
Einmal wirst Du es verstehen,
mit Tränen im goldenen Abendschein,
wirst Du mit meinen Augen sehen,
was ich sah, in meinem Sonnenschein.

Wenn ich mal gehe aus diesem Leben,
habe ich nur eine einzige Bitte:
Diesen Platz sollst Du mir geben,
auf des Sonnensteines Mitte.
Trage mich hinauf auf meine Berge,
und bette mein Herz im Sonnenschein,
beim Glockenklang der Ziegenherde,
hier, auf meinen Sonnenstein.

In dieses Steines hellem Licht,
erkennst Du dann mein Erbe,
und weißt, dass mit diesem Gedicht
ich für immer bei Dir sein werde.
Bist Du dennoch verzweifelt und traurig,
dann schaue ganz tief hinein,
in den Fels, verwittert und schaurig,
mein Geist lebt hier im Sonnenstein!


Teil 3
Sommer 1998

Heute bin ich wieder allein,
unsere Liebe ist zerronnen,
wurde mir, wie mein Sonnenstein
ach so plötzlich weggenommen.
Wo der Berg sich Stille bewahrt,
meine Seele oft zum Frieden fand,
weist heute der heilige Bernhard
nach Osten, zu des Aletschs Band.

Der Steinmann, den ich errichtet,
in den vielen langen Jahren,
liegt umgestürzt und vernichtet,
zertreten von Touristenschaaren.
Jetzt leitet hier ein Wegesstück,
über diesen mystischen Ort,
genauso führte Dein neues Glück,
Sternlein, Dich von mir fort.

Nur noch ein Rosenstock, so rot,
der am verwitterten Holzkreuz ragt,
erinnert an meine einsame Not,
mehr, als jemals ein Wort gesagt.
Zum Gedenken an verlorenes Glück
pflanzte ich ihn hier oben ein.
Du warst ein wesentliches Stück
von meinem Leben, mein Sonnenstein!

Und wenn mit verschwitzten Haaren
ein Wanderer vor dieser Rose steht,
so wird er wohl kaum erahnen,
wie mein Schicksal hier verweht.
Nur der Gletscher und dieser Stein
haben mich hier weinen sehen,
sie werden stets so wie heute sein,
und meine heimlichen Tränen verstehen.

Solange diese rote Rosenblume
an diesem alten Kreuz erblüht,
in meinem Herzen eine Krume
von Hoffnungsschimmer weiterglüht:
Vielleicht kommst Du einmal zurück,
Sternchen, und kehrst heim,
und bringst dann ein neues Glück,
zu mir, an meinen Sonnenstein.

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