Fiebertraum

Geist der Berge, ich höre Deine Ströme rauschen -
höre mir zu, wir wollen unsere Gedanken tauschen!
Du aus der Firn und der Gletschereises Kühle,
ich aus der schweißigen Krankenkammers Schwüle.

Du weißt, Geist, ich liege hier in kalten Binden,
doch das Fieber, es will nicht schwinden.
Ich friere, schwitze, und stöhne aus dem Herzen,
meine lahmen Knochen, ich spüre sie, sie schmerzen.

Drei langer Tourentage süßes Träumen -
Ich verdroß Dich wohl in Deinen hehren Räumen.
Du warfst mich um, direkt vor Deine eisigen Füße,
daß ich für den Gang in Dein Reich recht büße,
rolltest mich scheppernd echoend durch die Klüfte,
hinunter in des Fiebertraumes Grüfte.

Geist der Berge, warum hast Du mich betrogen?
Hast Du nicht leise, heimlich mich gerufen, gezogen?
Warst Du mir nicht immer mit Gipfelsieg gewogen?

Wann stets ich in Deinem Reich mich verirrte,
wiest Du mir nicht immer den Weg, wie ein Hirte,
und ließt mich ungerufen, ungebeten,
bergauf und bergab in eine sichere Führe treten?

Bist Du mir böse geworden?
Ach bitte, laß Dich fragen:
Muß ich den schönen, wilden Touren jetzt entsagen,
der hohen Firne mich für immer entwöhnen?


Der Geist spricht, und mahnt in tiefen Tönen,
im Schüttelfrost und in der Hitzewelle Dröhnen,
erst klingt's wie Drohen, dann klingt's wie Höhnen:

"Als junger Kletterer kamst Du zu mir gefahren,
mit hastigen Schritten und wehenden Haaren.
Ein armes Bild! Du warst naiv und ohne Bangen
auf meinen Gletschern und Graten gegangen,
gesprungen über Spalten, schwindelnd abgrundtiefen,
Deine Neugier, Geltungssucht, Dein Drang Dich riefen.
Du warst gekrochen in des Schneesturms Gebraus',
es schien, Du bist in meiner Wildnis zu Haus. -
Ein stilles Signal, ich sah es schon voraus:

Du kamst herauf, und gingst an eines Abgrunds Saum,
unkundig der Gefahr, im wachen, arglosen Traum!

Dennoch, mir gefiel Dein Mut, Deine Unerschrockenheit,
ich lehrte Dich sehen in eigener Verantwortlichkeit!

Jetzt, Alpinist, bist leidlich Du vernünftig,
kennst Angst, Tod und Leid, bist Deiner Gilde zünftig,
aber vertraue nie mehr blind auf meine Gnade, künftig!"

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