Silberne Weihnacht

Bétempshütte SAC, am 25. Dezember 1992


Silberblau der Himmel steht,
Wolken ziehen tief in Fetzen;
Feiner Schnee über's Eisfeld weht,
ich sehe ihn über Grate hetzen.

Die Berge sind im Gegenlicht
graue Silhouetten nur;
sie wirken so kalt auf mich,
so unnahbar und stur.

Kalter Hauch umweht mein Gesicht,
dass mir der Atem gefriert.
Eis knirscht unter meinem Gewicht -
Ein Traum mir heute gebiert.

Es ist der oft ersehnte Traum
von andächtig silberner Weihnacht,
ohne Glanz, Geschenke, und Baum,
nur Friede und heilige Nacht.

Über Klippen aus ewigem Eis
ziehe ich meine Bahn hinauf,
trotz lauernder Gefahr, ich weiß,
das Risiko nehme ich gern in Kauf.

Diese hohe, bizarre Welt ist der Reiz,
der mich in die reine Höhe führt,
hier oben, auf dem Dach der Schweiz
bin ich von tiefem Geist berührt.

In diesem Reich, wo der Anfang
und das Ende regieren,
lässt mich ein uralter Drang
von der Schöpfung inspirieren.

Die Sonne hängt kraftlos im Raum,
haucht für heute ihr Leben aus.
Ich spure hart, schaffe es kaum,
vor dunkler Nacht zum Gletscherhaus.

Im Dämmern heiliger Nacht
thront sie in silbernen Wolkenwogen:
Die kleine Hütte, die mich bewacht
vor Kälte und vor Wettertoben.

Starrer Frost schlägt mir entgegen
aus des Hauses Innenraum.
Ist dies, ich muss überlegen,
mein silberner Weihnachtstraum?

Doch bald flackert Feuer im Kamin,
erweckt heimeliges Hüttenleben;
mit der Wärme kommt mir der Sinn:
Kann es tieferen Frieden geben?

Wie still plötzlich die Berge stehen.....
Lawinen halten mitten im Lauf.....
Durch die Wolken auf einmal wehen
eiskalte Winde zu mir herauf.

Klar und mächtig stehen die Grate,
von letzten Wolkenschleiern gesäumt -
ich staune von erhöhter Warte:
So hatte ich es mir erträumt!

Klirrender Frost liegt auf der Welt.
Ich trete in die Nacht hinaus,
unter funkelnd klarem Sternenzelt
dem Raunen des Winds ich lausch'.

Ein Stern, er strahlt besonders hell.
Als des Wunders Zeichen gedacht,
verkündet er zeremoniell:
"Jetzt ist silberne Weihnachtsnacht!"

Schwarze Riesen aus Fels und Eis
strecken schweigend in seinem Glanze
ihre erhabenen Gipfel rings im Kreis
gen Himmel, gleich einer Lanze.

Die Zeit scheint still zu stehen,
alles liegt in tiefem Schlafe.
Nur der Gipfel Eisfahnen wehen,
ziehen am Firmament wie Schafe.

Ich spüre das Heilige dieser Nacht,
meine Trägheit ist erloschen,
und ich sinne mit Bedacht,
was die Stimme des Winds gesprochen:

"Dies ist Dein Leben, Deine Welt,
die Gletscher, die Wolken, die Berge.
Du hast Dich den Fragen gestellt,
die ich Jedem auftun werde.

Du hast Dich und Dein Leben
im Schein silberner Weihnacht erblickt;
darfst Dich nun zur Ruhe begeben,
Deine Tour, Deine Suche ist geglückt!"

Der Morgen strahlt im klaren Licht,
Schneekristalle glitzern überall,
und harte Linien brechen sich
am Grat vom Monte Rosa- Wall.

Ich sehe die Welt mit anderen Augen
nach dieser heiligen Nacht.
Was machten mich die Berge glauben,
was hat dieses Reich für eine Macht?

Ich wurde ein schweigsamer Schüler
in dieser Welt des Lichts.
Die unten sehen nur irdische Güter,
sonst bedeutet denen nichts.

Ich weiß nun, dass es noch mehr gibt,
und erkenne jetzt meinen Sinn,
der nicht mehr zu Staub zerstiebt -
nein, ich weiß jetzt, wer ich bin!

Als reicher Mensch steige ich wieder zu Tal,
in der hohen Berge gewaltiger Pracht,
und danke bis zum nächsten Mal
dieser erleuchtenden, silbernen Weihnacht.

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