Brief an Janine

Hi, mein liebes Sternchen Janine,
heute schreibe ich Dir diese Zeilen,
weil ich ohne Dich so einsam bin,
weil nichts meinen Schmerz kann heilen.

Ich weiß, Du wirst sie wohl nie lesen,
weil es in Deinem Reich keine Briefe gibt,
doch hier auf Erden gibt es ein Wesen,
das Dich immer noch so sehr liebt.

So viele Jahre bist Du nun schon fort,
aber vergessen, mein Sternchen, bist Du nicht!
ich glaube, Du bist nur an einem fernen Ort,
darum schreibe ich Dir heute dieses Gedicht.

Und wenn irgendwo auf dieser Welt
jemand diesen Brief an Dich lesen kann,
so ist er vielleicht dennoch zugestellt
und erreicht Dich irgendwann.

Mit diesen Versen möchte ich Dir sagen,
dass Deine Liebe noch in meinem Herzen ist,
und ich habe Dich in all den Jahren
an vielen Tagen und einsamen Nächten vermißt.

Nur die Erinnerung an Dein süßes Lachen,
läßt mich auf dieser Welt noch bestehen,
läßt mich jeden Morgen wieder erwachen,
in der Hoffnung, Du wirst wieder vor mir stehen.

Doch bleibt mir in meiner Einsamkeit
nur die große Sehnsucht nach Liebe, nach Dir.
Das Schicksal trug Dich von mir fort, so weit,
wie mein Herz es sah, heute schreibe ich es Dir.

Aus dem unergründlichen Raum
unserer Liebe kurzem Traum,
sprühten tausend Sterne namenlos
als Glück uns in Herz und Schoß.

Sterne, die nur uns allein
schenkten ihren Zauberschein,
stehen für unsere schönste Zeit
am Himmelszelt der Ewigkeit.

Sie halten noch in jeder Nacht
einsam ihre stille Wacht,
über unsere große Liebe,
die nie eine Macht besiege!

Der Herbstwind wehte Dir
in das unbändige schwarze Haar,
nachdenklich standst Du neben mir,
Deine stille Angst wurde wahr.

Die heimlich verhaltenen Tränen
in Deinen Augen sprachen Bände,
Du ahntest, dass unser Glück und Sehnen
bald für immer ging zu Ende.

Ich nahm Deinen zitternden Leib
schützend in meiner Arme Trost,
und wußte, dass Schmerz und Leid
gnadenlos grausam in Dir tobt.

Doch ich hielt Dich fest umschlungen,
zeigte Dir: Du bist nicht allein!
Solange Du mit der Hölle gerungen,
wollte ich ganz nah bei Dir sein.

Ich glaubte ganz fest daran,
dass die Stärke unserer Liebe
das Böse in Dir verzehren kann,
und Deine Krankheit besiege.

Als die Bäume rotgold belaubt,
uns rauschten im Abendföhn,
da hattest Du mich weinend angeschaut,
Deine Stimme hörte ich verweh'n:

"Suche eine neue Liebe Dir,
wenn mein Leben gegangen ist,
und sei ebenso gut zu ihr,
wie Du zu mir gewesen bist!

Du darfst nicht alleine sein,
und um mich nur trauern,
gehe ein neues Glück ein,
ohne Dich zu vermauern.....!"

Rasch drückte ich meine Lippen
auf Deinen lieblichen Mund,
um diese Worte zu ersticken,
die mir so schwer und wund.

Deine Tränen schmeckte ich,
spürte Dein Beben und Ringen,
es war so schwer für mich,
ein Lächeln zu erzwingen.

Tröstenden Wortes hauchte ich:
"Auch wenn Ärzte Dich aufgeben,
ich, mein Sternchen, verlasse Dich
niemals, ob im Tod, oder im Leben!"

Dann gingen wir Hand in Hand
über laubbedeckten Wegen,
getreu unserer Herzen Band,
dem Unausweichlichen entgegen.

Bald danach kam der Winter,
und unser letztes Weihnachtsfest;
wir schauten nicht, was dahinter,
lebten einzig für unsere Liebe jetzt.

Die Stunden voller Zärtlichkeit
waren nie zuvor intensiver,
für das nahe Ende bereit,
liebten wir uns um so tiefer.

Wir verloren keine der Stunden -
für unsere letzte Zweisamkeit,
flogen wir in himmlischen Runden
durch der Liebe schönste Zeit.

Mich störte dabei nicht,
Dein blasses Gesicht zu seh'n,
in meines Herzens Augenlicht
warst Du wie nie so schön!

Deine Liebe unterm Weihnachtsbaum
schenkte mir Kraft und Stärke,
Deinen Tod in Tag und Traum,
zu erleben in aller Härte.

Und im Glanz der heiligen Nacht
wir uns das Ja- Wort gaben,
in aller Stille, hattestDu gedacht,
wollten wir diese Stunde haben.

Nur den Mond und die Sterne
als Trauzeugen wir hatten,
sie glitzerten aus Himmels Ferne,
befreiten uns von Todes Schatten.

Im Klang weihnachtlicher Glocken
hatten wir unsere Ringe getauscht,
und beim Reigen der Schneeflocken
dem heimlichen Wind gelauscht.

Wir hörten ihn zu uns sprechen:
"Euren Ring sollt ihr ewig tragen,
so wird Eure Liebe niemals brechen,
Eure Treue für immer sich bewahren.

Auch der Tod kann Eure Herzen
mit seiner Macht nicht bezwingen,
Ihr seid eins, in Freude und Schmerzen,
verbunden in diesen goldenen Ringen!"

Dieser Winter, er wurde der längste
in unserer beider Leben,
er hatte uns mit Spaß und Ängste
alle Farben des Daseins gegeben.

Wir rollten im Pulverschnee,
so fröhlich und ausgelassen,
heute weiß ich, und versteh':
Wir wollten nichts mehr verpassen.

Die verrücktesten Dinge taten wir,
die Welt um uns existierte nicht,
nur noch uns beide gab es hier,
noch lebten wir für das Licht.

Doch manchmal, beim Sonnenuntergang,
wurde uns die Realität gewahr,
dann saßen wir Hand in Hand,
schweigend aneinander gelehnt da.

Stundenlang träumten wir so still
von einer wundervollen Zukunft,
vergaßen, was das Schicksal will,
schweiften weit ab der Vernunft.

Im Traum sah ich unser Haus,
und Dich mit unserem Kind,
Du tratst aus der Tür heraus,
Deine Anmut machte mich blind.

Auch Du träumtest unseren Traum,
erblicktest Dich als stolze Mama,
sahst einen Weihnachtsbaum,
neben der Kinderwiege stand er da.

Wir erlebten ein ganzes Leben
in diesem kurzen halben Jahr,
Phantasie konnte uns geben,
alles, was in unseren Herzen war.

Wir machten in Traumlanden
die Erfahrung eines Lebens,
das wir doch niemals fanden;
aber keine Minute war vergebens.

Die Liebe gab uns die Kraft,
ein glückliches Paar zu sein,
mit ihr hatten wir geschafft,
uns von den Ängsten zu befrei'n.

Der Winter dann sein Ende fand,
und Frühling stellte sich ein,
ich wußte, was nun bevor stand:
Im Herbst würde ich alleine sein.

Verzweifelt zählte ich die Tage,
wieviel uns wohl noch blieben,
stellte mir die bange Frage,
wann wir uns verabschieden.

Allein Deine herzliche Liebe
gab mir diese innere Stärke,
mit der ich jeden Tag solide
weiter ging an mein Gewerke.

Wenn am Abend ich kam zu Dir,
im Herzen so voller Sehnsucht,
standst Du meist schon in der Tür,
entführtest mich in unsere Flucht.

In Deinen bescheidenen Räumen
bewahrten wir uns die Zeit,
die uns noch blieb zum Träumen,
in dieser kurzen Zweisamkeit.

In unser stilles Kuschelnest
schlossen wir uns oft ein,
schenkten uns ein Liebesfest,
es konnte ja das letzte sein.

Du hatte im Gefühlskreisel
mich so verliebt angeschaut,
und ich wurde zur Geisel
Deiner jugendlich glatten Haut.

Ein Höhenfeuer der Ekstase
zog uns von der Erde weit,
auf zärtlicher Himmelsstraße
in des Glücksstromes Zeit.

Auf dem fliehenden Sternenschiff
rasten wir in Trance zurück,
navigierten durch das Lebensriff
in ewig umarmendes Glück.

Beim Flug durch atemlose Ferne
erklangen in uns Amors Harfen,
und auf Deinem Leib glitzerten Sterne
noch, als wir den Anker warfen.

Jedes feucht glänzende Sternchen
küßte ich von Deiner heißen Haut,
und im Scheine des Laternchen
hatte ich Dir ins Ohr gehaucht:

"Ich möchte, dass ich bei Dir bin,
egal, wohin Du wirst gehen,
Du allein bist meines Lebens Sinn,
kannst Du das verstehen?

Ich will Deinen Pfad mit Dir teilen,
wohin er Dich auch führen mag,
möchte ich an Deiner Seite weilen,
in jeder Nacht, an jedem Tag!

Dein langer schwerer Weg,
er soll auch der meine sein,
hierfür mein Herz ich leg'
in Deine Hände hinein!

Du lagst neben mir, ganz still,
und ich spürte, uns verband
mehr, als nur ein Gefühl,
mehr, als ich mir gestand.

Dann sprachst Du ganz leise,
als wispere nur der Wind:
"Auch nach meiner langen Reise
unsere Herzen beieinander sind!

Ich lebe weiter in den Gedanken,
die unsere Liebe hinterlassen,
denn sie kennen keine Schranken,
sie werden niemals verblassen!

Allein in Deiner Erinnerung
bleibe ich lebendig Dir,
wage bitte nicht den Sprung,
nur, um zu folgen mir!"

Hinter unsichtbarer Tür
erlebten wir dieses Frühjahr,
ohne ein Gefühl dafür,
was ist Traum, was ist wahr.

Wir rannten über bunte Wiesen,
wohin, war uns ganz egal,
wollten uns nur noch lieben,
unter hellem Sonnenstrahl.

Willkommen war uns jede Feier,
nach diesem endlos langen Winter,
und nun suchten wir Ostereier,
wie zwei ausgelassene Kinder.

Wir verdrängten ganz bewußt,
was so unvermeidlich war,
hatten wir doch gewußt,
dass der Abschied uns so nah.

An den ersten warmen Tagen,
in einer warmen Maiennacht,
begannst Du mich zu fragen:
"Sag mir, wer hat das gemacht?

Wer will, dass ich schon geh',
wer ist's, der das Schicksal
führt in Glück und in Weh,
ein Gott, ein Licht im All?

Gibt es eine Vorsehung,
die uns so gewaltsam trennt,
mich sterben läßt, so jung,
und kein Erbarmen kennt?

Hat das Schicksal ein Gesicht,
oder gibt es auf dieser Welt
irgendein höheres Gericht,
das mir dieses Urteil fällt?"

Ich sah Dich an - verzweifelt.
Konnte ich Dir denn sagen:
"Du hast mir eben gestellt,
meines eigenen Geistes Fragen!"

Eine Antwort wußte ich nicht,
auf das, was uns bewegte.
Und auf Dein schönes Gesicht
sich nun stille Trauer legte.

Mein Herz sprach dann den Satz,
mit dem ich Dich trösten konnte;
doch dieser Worte großer Schatz
bereits in unserer Liebe wohnte:

"Wir können alles besiegen,
wenn durch Zeit und Raum
unsere Gefühle zueinander fliegen,
zur Hoffnung, zu unserem Traum!"

Als dann die ersten Sommertage
kamen ins Land gezogen,
war uns die Zeit ohne Frage
schon weit voraus geflogen.

Deine zierliche Gestalt,
die sich immer mehr verzehrte,
fand nur noch in unserer Liebe Halt,
gegen den Tod, der Dich begehrte.

Unser schon alltäglicher Gang
in das Therapiekrankenhaus,
zeigte uns schonungslos lang
die aussichtslose Lage auf.

Der Sommer in dieser Stadt
war so öde, stickig, und leer,
das Warten machte uns matt -
war ein solches Los denn fair?

Doch Du hatte nicht geklagt,
ich wußte: Du kämpfst für mich,
unsere Liebe machte Dich stark,
wenn auch die Kraft aus Dir wich.

Wir wollten die wenigen Stunden,
die uns das Schicksal noch ließ,
mit unserer Liebe abrunden,
die nach unseren Herzen rief.

Eines Abends saßen wir zu zweit
im Okertal auf des Baches Steinen,
unsere Gedanken flogen so weit,
ohne zu lachen, ohne zu weinen.

Wir schauten dem Wasser hinterher,
das um die grauen Felsen spülte,
bis uns das ewige Sternenheer
den nächtlichen Liebeshimmel füllte.

Da sagtest Du ins stille Schweigen:
"Du wirst es wohl nicht verstehen,
aber ich möchte einmal die weißen,
himmelhohen Schweizer Berge sehen.

Du hast mir so oft davon erzählt;
ich möchte es einmal erleben,
die Berge, und mit Dir im Zelt,
und einmal über Matten gehen.

Wollen wir durch Arven wandern,
wenn sie stehen in ihrem Gold,
spatzieren gehen an der Kander,
wenn sie durch's Dörfli rollt?

Ich möchte auch die Glocken
der Alpherden klingen hören,
möchte die Murmeltiere locken,
und Dohlen mit Käse betören.

Einen Adler möchte ich seh'n,
und spüren, wie Gletscherwinde wehen,
mit Dir baden in klaren Seen,
und einmal über das Eisfeld gehen.

Nimm mich mit in Deine Berge,
wo die bunten Blumen stehen,
bevor ich für immer gehen werde,
möchte ich all das einmal sehen."

Ich dachte nicht mehr real,
folgte nur noch Deinem Bitten,
und kaufte via Kandertal
zwei Fahrtbillets nach Sitten.

Meine Berge und ihre Natur
konnten Dir vielleicht helfen,
für diese letzte Hoffnung fuhr
ich mit Dir dort zum Zelten.

Du fragtest mich auf dem Weg
nach Süden so voll Neugier:
"Wann sind wir in Kandersteg,
wann zeigen sich die Berge mir?"

Ich sah leuchtende Augen
aus dem Zugfenster spähen,
und sagte im festen Glauben,
Du würdest doch nicht verstehen:

"Siehst Du Wolken, schneeweiß,
die doch gar keine Wolken sind,
dann erblickst Du Berge aus Eis,
dort, wo der Himmel beginnt!"

Aus dem Lärm der Stadt flohen
wir zu den Gletschern, verschneit,
wo die wilden Séracs drohen,
in der Berge stillen Einsamkeit.

Durch stille Dörfer wir gingen,
die verwegen am Hange klebten,
hörten heimliche Winde singen,
die in hölzernen Ecken lebten.

Wir entstiegen dem Arvenwalde,
und standen auf weiter Höh',
ein Donnern von Lawinen hallte:
Das Echo vom Chanrionsee!

An diesem See hatte gestanden
dann unser einsames, kleines Zelt,
wo wir zwei zurückfanden
zum inneren Frieden unserer Welt.

Wir wanderten über grüne Matten,
die mit farbenfroher Blütenpracht,
uns so sanft getragen hatten,
und uns das Glück zurückgebracht.

Andächtig lauschten wir windverweht,
der Kuhglocken melodischem Klang,
sie drangen vom Tal, wie ein Gebet,
herauf, als ferner Engelsgesang.

Ich zeigte Dir die weißen Berge
über'm grünen Walliser Land,
und wir zogen mit der Herde
Steinböcke oben am Hang.

Ich stieg mit Dir zum Gletschersee,
wo der Adler schwebte im Kreise,
und die Blumen blühten im Schnee:
Krokus, Enzian, und Edelweiße.

Fröhlich wagten wir zu springen
über der Bäche Silberband;
das Echo von unserem Singen
schallte von der Felsenwand.

Ausgelassen tollten wir
durch duftendes Almengras,
in uns sprühte die Begier
nach Frohsinn und purem Spaß.

Verliebt und verträumt lagen
wir im Teppich der bunten Wiesen,
ließen vom Gedanken uns tragen,
dass wir mit den Wolken ziehen.

In unseren Traumphantasien
wir mit Wolkenschiffen flogen,
über weite, grüne Täler dahin,
bis an des fernen Meeres Wogen.

Wir dachten an die fremden
Länder, die wir nicht mehr fanden,
an deren weißen Palmenstränden
wir im Traume dennoch standen.

In weit fliehenden Gedanken
konnten die Träume uns geben,
hinweg über des Todes Schranken,
was wir uns wünschten im Leben.

Wir lachten in Sonne und Regen,
und gaben uns all die schönen
Dinge, die Menschen in einem Leben
sich gegenseitig schenken können.

Auf abgelegener Blumenwiese
wir unsere Kleider zerrissen;
ich streichelte in tiefer Liebe
Deinen nackten Bauch mit Küssen.

Salzig schmeckte Deine Haut,
die mit süßem Duft bedeckt;
und staunend hatte zugeschaut,
das Murmeli, das wir geweckt.

Dann, in strahlend tiefem Rot
versank der mächtige Feuerball,
ein farbenprächtiges Wunder bot
er uns am großen Gletscherwall.

Hinter den hohen Bergen glomm
noch ein letzter, verzagter Schein.
Du sagte leise: "Frank, bitte komm,
ich will ganz nah bei Dir sein!"

Du drücktest Dich fest an mich,
ich fühlte Deine sanfte Wärme.
"Heute möchte ich lieben Dich,
hier, unterm Licht der Sterne!

Ich spüre die Lebenskraft in mir
ganz allmählich versiegen,
darum möchte ich mit Dir
heute Nacht zu den Sternen fliegen!"

Was heimlich dann geschah,
blieb für immer unser Geheimnis,
denn nur der silberne Mond sah
unser kleines Liebesparadies.

Später badeten wir splitternackt
in dem kalten, klaren Gletschersee,
und hatten eng umschlungen gewacht,
um das Funkeln der Sterne zu seh'n.

Wir saßen im Glanz der Gestirne,
die in strahlender Ewigkeit
erleuchteten Berge und Firne,
und unsere allerschönste Zeit.

Ich hielt Deine zitternde Hand
fest an mein Herz gedrückt,
das von Deiner Liebe entflammt,
weit der irdischen Zeit entrückt.

Wir hofften, dass der Zauber dieser Tage
für uns niemals mehr enden sollte,
und doch wußten wir ohne Frage,
dass uns der Tod schon überholte.

Eben noch konnten wir lachen,
so glücklich und fröhlich sein,
dann wieder kam das Erwachen,
und brach in unsere Träume ein.

Zwischen Wahrheit und Hoffen
vergingen für uns die Stunden,
seit sich unsere Blicke getroffen,
und unsere Herzen sich gefunden.

Wir lebten im Zwiespalt
unserer eigenen Gefühle,
sahen des Lebens Gestalt
in Wärme und in Kühle.

Nun blickten unsere Herzen
in tief empfundenem Glück,
aber auch in wehen Schmerzen
auf unserem Weg zurück.

Hier, auf nachteinsamen Höhen,
unter sternenbesätem Himmelszelt,
lernten wir zu verstehen,
des Lebens Sinn auf dieser Welt.

Als ein Geschenk der Natur
verstanden wir unsere Liebe,
auch, wenn sie so kurz nur
blieb in unseres Glückes Schmiede.

Am Morgen glitten wir auf Ski
über verschneite Hänge zum Gipfel,
im Pulverschnee bis zum Knie
erlebten wir den Nervenkitzel.

Von oben schauten wir weit
in das pennische Sonnenland,
fernab vom Strom der Zeit
nahm ich dann Deine Hand:

"Hier oben werde ich oft stehen,
und an Dich allein nur denken,
auch wenn alle Hoffnungen gehen,
werde ich Dir noch Liebe schenken.

Wenn mich hier in diese Berge
jemals wieder die Schritte lenken,
verspreche ich Dir, ich werde
dann stets an diese Tage denken!

Hier oben werde ich bei Dir sein,
und Du wirst immer in meinem Sinn
mit mir steigen, über Eis und Stein,
auf welchem Berg ich auch bin!"

Wir blieben lange dort oben -
über uns nur der Himmel stand.
Unsere Gefühle sich zur Macht erhoben,
die uns für alle Ewigkeit verband.

Doch dann sollte unsere schöne Zeit
schneller, als befürchtet zu Ende sein,
und Deine geborgte Gesundheit
fiel wie ein Kartenhaus im Winde ein.

Diese Tage hier in den Bergen,
ohne Arzt und Chemotherapie,
ließen Dich immer schwächer werden,
das Schicksal spielte nun Regie.


Im friedlichen Krankengemach
hielt ich dann Deine zarte Hand,
als Du in Stille aufbrachst
zu Deinem allerletzten Gang.

Mich plagte mein Gewissen,
ob es recht von mir gewesen,
dass ich Dich der Qual entrissen,
weil Du ohne Chance auf Genesen?

Doch Du sagtest zu mir:
"Du hast mir so viel gegeben,
diese wunderbare Zeit mit Dir,
war wertvoll, wie ein ganzes Leben!

Du hattest mich dort oben
von tiefer Traurigkeit befreit,
und warst mit mir geflogen,
dorthin, wo der Adler schreit.

Du hast mir den langen Abschied
so leicht und erträglich gemacht,
Du hast mich bis zuletzt geliebt,
und über mein Leben gewacht.

Es ist Zeit, für mich zu gehen,
ich werde Dich nun verlassen,
versuche es zu verstehen,
ich folge jetzt stilleren Gassen.

Ich möchte Dir für alles danken,
und vergiß bitte eines nicht:
Unsere Liebe kennt keine Schranken,
auch wenn mein Leben nun verlischt!

Laß meiner Liebe helle Flamme
nicht ewig in Dir weiter brennen,
sonst wird Dein Geist im Klange
der Erinnerung sich verrennen!

Ich muß nun von Dir gehen,
vielleicht denkst Du mal an mich,
vielleicht werden wir uns wiedersehen,
.....drüben, .....Ich liebe Dich!"

Ein letztes Mal schautest Du
mich an, mit kraftlosem Blick,
es war, als schriest Du,
als wolltest Du nochmal zurück.

Stille zog ein in diesem Raum,
und Dein liebliches Gesicht
folgte dem endlosen Traum
zu des ewigen Friedens Licht.

Ich hielt noch lange Deine Hand
in dem dunklen Sterbezimmer,
und ich spürte, uns verband
unsere tiefe Liebe noch immer.

Ein stiller, ungehörter Schrei,
einsam meinem Herz entfahren,
stieg zu Dir auf, wollte frei
Dir meinen Schmerz offenbaren.

Ich fühlte: Ohne Deine Liebe
konnte ich nicht mehr leben,
ich würde am inneren Kriege
meiner Gefühle nur vergehen.

Wollte nur an Deiner Seite sein,
ganz egal, wo Du jetzt auch warst,
gern tauschte ich mein Leben ein,
um bei Dir zu sein, bot ich's dar.

Ich floh hinauf zur Felsenwarte,
zur hohen, steilen Himmelsleiter,
dort, wo Du mich geliebt hattest,
stieg ich immer höher, immer weiter.

Doch mein Weg fand kein Ende,
mein Herz hatte sich verbrannt,
ich stieg über Gletscher und Wände,
zur Ruhelosigkeit verbannt.

Nur hier oben war ich Dir nah,
ich spürte hier Deine Gegenwart,
manchmal in Visionen ich sah,
Dein Gesicht, rein und zart.

Ich war auf einer langen Reise,
doch wohin, wußte ich nicht,
suchte ich hier still und leise
nach Liebe, nach neuem Licht?

Doch außer wehen Erinnerungen
hatte ich dort oben nichts gefunden,
nur mein Herz war zersprungen,
wurde mit den Bergen verbunden.

So stieg ich viele lange Jahre,
wo die Berge am höchsten sind,
hoffte, dass ich mal erfahre,
wo ich endlich ein Zuhause find'.

Eines Tages, auf Grächen's Gratalp,
saß ich müde da, und spürte:
Die Stimme war längst verhallt,
die mich auf diesen Pfad führte.

Ich hatte meine ganze Jugendkraft
an den Berg der Erinnerung vertan,
war geflüchtet in die Leidenschaft,
die einmal mit Deiner Liebe begann.

Viel zu lange war ich gerannt,
gegen den Berg zur Selbsterkenntnis,
hatte mich allmählich verbannt,
zu großer Einsamkeit und Bitternis.

Nun stand ich am Abgrund
von meinem unerfüllten Leben,
und war jetzt, zu dieser Stund'
bereit, für immer zu Dir zu gehen.

Plötzlich war hinter mir eine Stimme,
wie vom Himmel selbst erklungen:
"Erinnere Dich des Lebens Sinne,
den Du einst mit ihr gesungen!"

Erschrocken schaute ich mich um:
Da lag ein großer, grauer Stein
auf der Wiese von Gratalp herum,
und strahlte im Abendsonnenschein.

Dann hörte ich erstaunt,
es war dieser Felsgranit,
der mir eben zugeraunt,
hier, ob dem Gletscher Ried:

"Hast Du schon vergessen,
was Janine Dir dort sagte,
als ihr unter Sternen gesessen,
wo sie Dich zu lieben wagte?

Du mußt für sie weiterleben,
ihr Ideal und ihre Hoffnung
hatte sie Dir hier gegeben,
vergiß das nie, zu keiner Stund'!

Was Dir dieses Mädchen geschenkt,
sollst Du einmal weitergeben -
wie das Schicksal Dich auch lenkt,
sollst Du nach ihrer Güte streben.

Die Liebe findet Dich auf's Neue;
dann schenke der Frau, die Dich mag,
Ehrlichkeit, Vertrauen, und Treue,
alles, was auch Janine Dir gab!"

Ich stand verblüfft vor dem Stein,
der in roter Sonne zu mir sprach,
konnte, was ich hier erlebte, sein,
träumte ich, oder war ich wach?

Als ich dann den Fels berührte,
diese mächtige, rauhe Steinplatte,
war's, als ob ich wieder spürte,
was ich mit Dir gefühlt hatte.

Es war mir, als strömte in
diesem alten, bemoosten Stein,
Dein süßer Atem noch dahin,
als wäre er Dein Totenschrein.

Ich nahm in tiefer Andacht
einen Stein, den ich fand,
hatte ihn zum Fels gebracht,
der über diesem Orte stand.

Dann gelobte ich, in jedem Jahr
einen neuen Stein dazu zu legen,
dass Dein Andenken ich bewahr',
für alle Zeit, auf allen Wegen.

Was ich dann zu klagen gewagt,
diesem sonnenbestrahlten Stein,
hatte ich nie einem Menschen gesagt,
der Fels sollte mein Vertrauter sein!

Ein Holzkreuz ich errichtet hab',
meinem Versprechen als Garant,
es thronte nun auf dem Grat,
der sich hoch über Grächen befand.

Dein Atem im Sonnenstein,
mir von Deiner großen Liebe blieb;
dieser Platz würde immer sein,
mein Ort vom längsten Abschied.

Noch immer bin ich allein,
Gefühl für Liebe ist zerronnen,
wurde mir, wie mein Sonnenstein
so allmählich weggenommen.
Wo der Berg sich Stille bewahrt,
meine Seele oft zum Frieden fand,
weist heute der heilige Bernhard
nach Osten, zu des Aletschs weißem Band.

Der Steinmann, den ich errichtet,
in den vielen langen Jahren,
liegt umgestürzt und vernichtet,
zertreten von Touristenschaaren.
Jetzt leitet hier ein Wegesstück,
über diesen mystischen Ort,
genauso ging unser Glück,
mein Sternchen, von mir fort.

Nur noch ein Rosenstock, so rot,
der am verwitterten Holzkreuz ragt,
erinnert an meine einsame Not,
mehr, als jemals ein Wort gesagt.
Zum Gedenken an verlorenes Glück
pflanzte ich ihn hier oben ein.
Er ist nun ein wesentliches Stück
von meinem Leben, dieser Sonnenstein!

Und wenn mit verschwitzten Haaren
ein Wanderer vor dieser Rose steht,
so wird er wohl kaum erahnen,
wie sich mein Schicksal hier verweht.
Nur der Gletscher und dieser Stein
haben mich hier weinen sehen,
sie werden stets so wie heute sein,
und meine heimlichen Tränen verstehen.

Solange diese rote Rosenblume
an diesem alten Kreuz erblüht,
in meinem Herzen eine Krume
von Hoffnungsschimmer weiterglüht:
Vielleicht kommst Du einmal zurück,
mein Sternchen, und kehrst heim,
und bringst dann ein neues Glück,
zu mir, an meinen Sonnenstein.

Janine, ich werde Dich niemals vergessen.
Dein Lachen, die Sternchen in Deinen Augen,
von ihnen war ich so besessen,
an sie möchte ich wieder glauben,
möchte Deine Liebe, die noch in mir wohnt,
weitergeben, damit sie niemals verweht,
ich möchte, dass sie wie der helle Mond,
in noch so einsamer, dunkler Nacht besteht.

In tiefer Liebe, Frank

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