Faungor und die Karolinger

 

s war einmal, vor langer, langer Zeit, da lebte in einem gar nicht so fernen Land ein mächtiger König namens Clodewig aus dem Geschlecht der Karolinger. Sein großes, fruchtbares Reich erstreckte sich von der Küste des großen Meeres, über urwüchsige, undurchdringliche Wälder, über ertragreiche Wiesen und Äcker, bis hin zu den hohen, steilen Bergen des ewigen Schnees. Das Land war reich an Volk und Saat, an Wald und Wild, an Quellen und an Erzen.
Dennoch plagten Clodewig große Sorgen. Ein Reich, so groß wie das seine, wollte geschützt und gegen jedwede Feinde
verteidigt sein. So kam er nicht umhin, stets in neue Kriege und Schlachten zu ziehen, gegen jene heidnischen Mächte, die seine
Grenzen bedrängten.
Christus Lehren standen im Norden noch auf unsicheren Beinen, doch Clodewig hatte sich bereits taufen lassen und den Gedanken an Nächstenliebe, Menschlichkeit und Annäherung der Stände unter der Wacht einer Carta und unter dem Schutze des einen GOttes in seinem Reich manifestiert. Es brachte dem Volk sein Auskommen, der Wissenschaft einen guten Fortschritt, und
ihm, dem König, den Erhalt und Ausbau seiner Macht in der bekannten Welt.
Doch all dieses Gut war vergänglich, war aufstrebend und verfallend mit seinem Leben, oder seinem Tod. Clodewig erkannte, daß Erben aus erster Linie ebenso wichtig waren, wie die eiserne, aber gütige Hand, mit der er sein Reich führte und lenkte.
Da nahm sich Clodewig bereits in jungen Jahren eine Frau, die er nach den Geboten des neuen Glaubens ehelichte. Ehrentraut war die Tochter eines Landesfürsten, welcher ihm zu
Lehen stand. Sie gebar ihm in Folge drei Söhne. Conrad, Gilhard und Carolus. Da sie ein fruchtbares Weib war, brachte sie noch eine Tochter zur Welt, bevor sie im Kindbett zu GOtt dem Herrn berufen wurde.
Clodewig nannte sein jüngstes Kind Wertrud, was in der alten Sprache des Landes soviel bedeutete, wie Mannesmut oder
Kampfesmut. Und so wie das Kindlein klein und von zierlicher Gestalt war, und dennoch gegen den Tod und für das Leben kämpfte und ihn im Schutze seiner Amme besiegte, so bat er GOtt das Kind unter diesem Namen unter seine Obhut zu nehmen.
König Clodewigs Kinder wuchsen behütet und sorglos auf. Sie erhielten stets, was sie begehrten und lernten, was ihnen ihr
Vater zugedacht. Conrad sollte ein mächtiger Kriegsherr werden. Und so ließ ihn der König an Schwert, Lanze und Schild, zu Fuße und hoch zu Ross ausbilden, und die Kunst der Waffen- und Kriegsführung erlernen.
Gilhard hingegen erschien ihm sanftmütiger und verständiger. Und so ließ ihm der König das Wissen um die Rechte der Stände, die Kenntnis um das Machtgefüge der Welt, sowie das Geschick der Verhandlung mit den mächtigen Nachbarn angedeihen.
Carolus war, wenn auch der schmächtigste, jedoch der klügste seiner Söhne. Ihn ließ er durch Athanasius, einen großen und erfahrenen Magier, sowie von seinen Gelehrten und Beratern unterrichten. Seinen Geist sollte er mit dem Wissen all der Gelehrten der Welt füllen. Er sollte die Sterne und deren Bedeutung erlernen, die Kenntnisse der Alchemisten, die Heilkunst der Pflanzen und Kräuter, das Wissen über die Verhältnisse aller Dinge zueinander sowie die Kunde des Lesens, Schreibens und des hohen Rechnens. Auch sollte er die neue Glaubenslehre in allen Auslegungen erlernen, und die Lehre der Planung und Erbauung von Kathedralen und Burgen.
Clodewig glaubte, daß sein Reich die Ewigkeiten überdauern würde, wenn seine Söhne gemeinsam in der Lage waren, das Reich nach seinem Tode mit dem Geschicke der Verhandlungskunst, der Stärke der Ritterschaften und dem ganzen Wissen jener Tage zusammen weiterführten. Er meinte, daß nichts auf der Welt wagen mochte, einer solchen Macht
entgegen zu treten.
Doch er ließ eines außer Acht, daß dem Menschen seit je her nicht bestimmt war zu lenken. Das Schicksal. Und ausgerechnet jenes Zehntel der Entwicklung und Fügung eines Menschenlebens bewog, daß der Name der Karolinger alsbald von den Landkarten getilgt war.
Seit dem Tode Ehrentrauts, der Gattin des Karolingers, waren sechs Jahre ins Land gezogen. Die Kinder König Clodewigs gediehen prächtig. Conrad, der älteste, bereits mit zehn Jahren erster Knappe in der Ritterschaft, vermochte inzwischen besser zu reiten, als seine Lehrherren. Auch im Umgang mit dem Holzschwert zeigte er großes Geschick und rief stets das Erstaunen gestandener Krieger hervor. So erwarb er sich alles, was die Herren der Rittmeisterei ihm an Stärke, Tugend und Ehrhaftigkeit antrugen.
Auch der zweite Sohn, Gilhard, war mit neun Jahren ein gelehriger Knabe. Er verstand es mittlerweile jeden im Gesinde,
und sogar einige der reisenden Händler mit seiner List zu übertrumpfen, was ihm hier ein Goldstück, dort eine zusätzliche Mahlzeit, oder gar ein Lehenversprechen einbrachte. An Tücke und Verschlagenheit kam ihm kein anderer seines Alters nach. So verinnerlichte er alles, was ihm die Minister und Kämmerer
angedeihen ließen.
Carolus war mit seinen sieben Jahren noch recht verspielt. Dennoch vermochte er bereits jene Sterne zu benennen, die in der Nacht über der Burg standen, wusste mittlerweile um einige Kräuter, welche Gesinde und Hoftiere gleichermaßen wirr im Kopf machten, und verstand es gar vortrefflich zu lesen und
zu schreiben. Auch die Kunst der Ziffern ging ihm recht gut über die Finger. So lernte er alles, was ihm der Magier und Gelehrte
Athanasius beizubringen vermochte.
Wertrud war mit fünf Jahren noch ein Kind. Auf sie achtete kaum jemand. Für die Lehre der Sittsamkeit und der Koketterie war sie noch zu jung. Doch für die Amme, die kaum
mehr hinter dem behänden, aufgeweckten Kinde her kam, war sie inzwischen zu alt.
Niemand sonst, außer der alten Amme, welche nur noch selten die Kemenate verließ, kümmerte sich um das wissbegierige
Mädchen, die kleine Prinzessin, die eben einfach da war, zum Hof gehörte wie der Brunnen und das Vieh, und welcher man Schulter zuckend alles duldete und durchgehen ließ, weil sie die Tochter des Königs war.
Die hübschen, seidenen und samtenen Kleidchen, die Wertrud in ihren Truhen gelagert hatte, interessierten sie nicht. Jeden Tag, den GOtt werden ließ, bevor noch die Amme aus dem Schlaf erwachte, schlüpfte die kleine Prinzessin in die viel zu großen Hosen und das zu weite Hemd, welche sie einmal aus dem
Gesindehaus entwendet hatte, und machte sich auf den Weg, ihre Welt zu erkunden.
Und war ein Tag noch so angefüllt von neuen Entdeckungen, Erfahrungen und Erkenntnissen, das muntere, wissensdurstige und kluge Kind wurde nicht müde, alles zu
begutachten, zu betrachten und auszuprobieren, was ihr über den Weg und vor die kleinen, nackten Füße kam. Denn die Zeit und Mühe, sich königliche Schuhe anzuziehen, nahm und machte sie sich nicht. Auch kämmte sie sich nicht ihre langen Haare, die widerspenstig in ihr Gesicht fielen, und ebenso wenig hielt sie vom Bade im Zuber mit Rosenblüten. Viel lieber sprang sie mit den anderen Kindern des Hofes in einen Bach, oder in den Umflutgraben der Burg, oder in den Fischweiher vor dem
herrschaftlichen Sitz.
Sie tollte mit den Kindern des Gesindes, der Bediensteten und der Bauern herum, scherte sich nicht um die Regeln der Amme, und noch viel weniger um die Gebote, die ihr der dicke, gutmütige Hofpriester Vater Martinus beizubringen versuchte. Dafür steckte sie ihr kleines Näschen in alles, das ihr unbekannt war. Clodewig, ihr Vater, war wegen seiner vielen Kriegszüge selten am eigenen Herd. Und so verwunderte es nicht, daß das
Mädchen einer starken, führenden Hand entging. Ihr Herz prägte ihre Sinne und das Leben ihren Verstand.
Die kleine Prinzessin entdeckte ihre eigene Welt und folgte ihrem eigenen, wachen und mutigen Geist. Jeder ihrer Tage war angefüllt von neuen Eindrücken. Mal tauchte sie in der Bäckerei auf und sah zu, wie das tägliche Backwerk in den Ofen kam.
Dann wieder stand sie beim Schmied an der Esse und schlug sich einen eigenen Dolch. Ein anderes Mal interessierte sie sich für das Werk des Steinhauers, der die mächtigen Bogen und Säulen für die Burgkapelle errichten ließ.
Heimlich beobachtete sie ihren Bruder Conrad bei den Waffenübungen, belauschte Gilhard, wenn er seine Lektionen in
Herrschaftskunde bekam, und schlich sich in das Turmzimmer, oder das tiefe Kellergewölbe, wo Carolus in die Geheimnisse der
Wissenschaft und Alchemie eingeweiht wurde.
Kurzum, das Mädchen war überall zu finden, wo es etwas zu lernen, zu sehen, zu hören gab, wo etwas zu erleben war, wo es etwas entdecken konnte. Bald hatte sich ein jeder auf der Burg und in den umliegenden Dörfern und Städten daran gewöhnt, daß sie allgegenwärtig wie die Fliegen auf dem Mist war.
Dabei war Wertrud von guter Wesensart. Sie drohte bereits in Kindesbeinen mit dem Schwert ihres Vaters, wenn einem aus dem Volke Unrecht geschah. Sie half jenen, die der Hilfe bedurften und sie tröstete dort, wo Verständnis gefordert war. Sie gab denen, die in Not waren. Und sie galt schon in jungen Jahren als klug und weise, denn sie verstand es, das Wissen, das sie überall aufschnappte, dort weiterzugeben, wo es gebraucht wurde.
Überall im Lande nahe der Burg, war sie willkommen, geachtet und beliebt. Ja bereits mit zehn Jahren wurde sie ein ums andere Mal von den Bauern und Bürgern um Rat gefragt. Dabei sah das Volk nicht die Prinzessin in ihr, die eines Tages in ein fernes Land verheiratet werden würde.
Für das Volk war sie so etwas wie ein guter Geist, das Herz und die Seele des Landes, das Ohr der Mächtigen an der
Stimme des Volkes. Einige nannten sie die Prinzessin mit dem großen Herzen, andere sagten ihr sogar heilende Kräfte nach.
Doch nicht nur sie gab dem Volke Rat, Zuversicht, Trost und Freundschaft. Auch das Volk beschenkte sie reichlich. Mit einem Reichtum ganz anderer Art. Die Menschen bedachten sie mit Erfahrungen und Erkenntnissen, den guten und den bösen, welche dem Mägdlein zugute kamen.
Während ihre Brüder studierten, was ihnen die höfischen Lehrer vermittelten, lernte die Prinzessin vom Leben, vom Herzen
der Menschen und des Volkes. Sie lernte zu unterscheiden, was gut und was böse war, was notwendig oder unwichtig, und was als das wahre Gold eines Landes galt.
Eben zu jener Zeit aber begab es sich, daß barbarische Stämme die Grenzen des Landes bedrohten. Immer häufiger musste Clodewig ausziehen, um das Land vor heidnischen Horden zu schützen, sie zurückzuwerfen und außer Landes zu treiben. Immer schwieriger wurde es für ihn, das große Reich vor feindlichen Fürsten und ihrem Machtstreben zu bewahren.
Einmal drohte ein uralter, beinahe vergessener, starker Feind das Land von der See her anzugreifen. Mit einer mächtigen Armada segelte das gegnerische Heer auf die Küste zu. Rasch mussten alle Ritterstände einberufen, und mit ihren Heeren und Kriegern in Marsch gesetzt werden, um die Bedrohung abzuwenden.
Doch mitten in die langen Vorbereitungen erging die drohende Kunde, daß der Feind an der Küste gelandet war, bereits ins Land drängte, mordete, plünderte und brandschatzte. Angesichts der großen Gefahr duldete des Königs Anwesenheit an der Spitze seiner Heerscharen keinen Aufschub mehr. Und noch niemals zuvor war die Angst Clodewigs größer, nicht mehr lebend aus einer Schlacht zurückzukehren.
Unter dieser Ahnung und dem Umstand geschuldet, daß seine Söhne noch nicht Mannes genug waren, um das große Reich führen zu können, machte er sich den Kopf darüber schwer, wer das Land regieren mochte, sollte er im Kriege den Tod finden.
Da gab ihm sein Vertrauter und gelehrter Berater Athanasius einen geheimnisvollen Rat. Daraufhin zog Clodewig in das hohe, wilde Felsenland des Gebirges, welches sein Reich im Süden begrenzte. Dort lebte noch ein wilder, Feuer speiender Drache, einer der Letzten seiner Art, die einst die Erde beherrschten.
Die letzten Drachen jener Tage waren nicht die angenehmsten Wesen. Sie waren klug, keine Frage, doch ebenso verschlagen, und manche Leute glaubten, daß sie den Menschen
in die Herzen und Seelen schauen konnten. Aber sie waren eben auch Raubgetier, das den Bauern mancher Dörfer arg zusetzte.
Sie rissen Schafe, Ziegen, Rinder, nicht selten sogar Pferde. Wenn die Bauern dann unter der Führung mutiger Ritter auszogen, solchen Drachen den Garaus zu machen, konnten sie damit großes Unheil heraufbeschwören.
Vermochten sie den Drachen nicht zu töten, und verletzten ihn nur, oder eines seiner Jungen, dann nahmen die Tiere gar fürchterliche Rache. Sie kamen über die Dörfer und Felder und verwüsteten unter den flammenden Stößen ihres Atems ganze Landstriche. Daher war es Clodewigs stetes Ansinnen gewesen,
mit den mächtigen Herrschern der Lüfte in Frieden zu leben, mochten sie dann und wann auch ein Haustier reißen. In diesem Fall, so bestimmte es ein Erlass des Königs, durften die Bauern aus der königlichen Kasse ein Entgelt fordern, das dem Wert des jeweiligen Hoftieres entsprach.
Seit diesem Erlass kam es nur noch selten zu Auseinandersetzungen zwischen Drachen und Menschen. Überdies war es jedem im Volke, egal welchen Standes, untersagt, Jagd auf Drachen, nur um des Jagens Willen, zu machen.
Clodewig suchte nun in schroffen Felsen, in Höhlen und tiefen Wäldern nach Faungor, jenem Drachen, der zuletzt vor zwei Jahrzehnten ein ganzes Dorf am Fuße der Felsenberge verbrannt hatte.
Seit Alters her war bekannt, daß Drachen von güldenen
Schätzen angelockt werden. Also führte Clodewig etwas mit sich, dem ein Drache niemals wiederstehen würde. Unter seinem Gewand trug er den Schlüssel des Landes, auch Reichsschlüssel
genannt. Es war ein großer, massiver Schlüssel, aus echtem, schwerem Gold. Er war der einzige Schlüssel, der zu den Türen eines Flügels im Kellergewölbe der Burg passte, in dem die Heiligtümer des Reiches verborgen lagen:
Der Staatsschatz mit Truhen voller Gold, Silber und Edelsteinen, die Königskronen und die Königssiegel, sowie die königliche Carta, die Verfassung des Landes, die als Gesetz für
jeden Stand gelten sollte, befanden sich hinter diesen Ellen dicken Türen aus einem Holz, das so hart wie Stein war. Ohne diese
Reichssymbole durfte niemand das Land regieren.
Nach sechs Tagen schließlich, fand Clodewig den Drachen Faungor, der in einer Höhle, hoch oben zurückgezogen in einer
Felsenfeste hauste. Als sich Clodewig seinem Unterschlupf näherte, erschien das mächtige Tier an der Felskante und blies ihm seinen flammenden Atem entgegen. Nur knapp entging Clodewig dem Feuerstoß, indem er sich hinter seinem Schild
und einem Felsen verbarg. Dann trat er mutig hinter seiner Deckung hervor und rief dem Drachen zu, daß er in Frieden gekommen war, und daß er Faungor untertänigst um einen Dienst bitten wollte.
Der Drache sah ihn mit durchdringendem Blick seiner stechenden, gelben Augen mit dem schwarzen Schlitz darin an und ließ ihn herankommen. So nahe ließen Drachen selten
ein Menschenwesen an sich heran. Der König holte schweren Herzens den goldenen Schlüssel unter seinem Gewand hervor, und als Faungor sein Haupt neugierig dem glänzenden Gegenstand entgegen neigte, warf ihm Clodewig die Kette, an welcher der Schlüssel hing, über den Hals. Dazu sprach er feierlich:
»Allein jener, der ihn dir wieder abzuringen vermag, soll
nach meinem Tode der König dieses Landes sein! Bewahre ihn gut, O Faungor, in deinen und GOttes Schutz befehle ich dieses Reich, bis zu dem Tage, da ich den Schlüssel selbst zurück fordere, oder einer meiner Nachkommen würdig genug ist, ihn zu tragen!«
Damit wich Clodewig mit demütig geneigtem Kopf zurück. Faungor schüttelte heftig sein hässliches, braunes Haupt, ließ seine Augen aufblitzen und zog sich schnaubend in den tiefen Stein zurück.
Kurz darauf zog der König an der Spitze seines Heeres in die entscheidende Schlacht. Mit seinen Rittern, Schildmannen und Bauern kämpfte er drei Tage und drei Nächte. Dann besiegte sein Heer die barbarischen Eindringlinge und drängten sie ins Meer zurück. Doch Clodewig erlebte den Sieg nicht mehr.
Von einer Lanze durchbohrt lag er sterbend auf Felle gebettet, umringt von seinen Vertrauten und Heerführern. Mit
seinen letzten Worten verriet er den Anwesenden, wo der Reichsschlüssel zu finden war. Dann folgte er seiner Ehrentraut
in das himmlische Reich GOttes.
Die Kunde vom Tod des Königs erreichte die Burg, und das Volk feierte und trauerte zugleich. Die Menschen waren froh,
daß die große Gefahr durch die Barbaren gebannt war. Gleichzeitig aber fiel das ganze Land in eine lähmende Trauer. Clodewig war den Menschen in seinem Reich durch seine Reformen ein guter Herrscher gewesen, den das Volk liebte und dem es vertraut hatte.
Nun war er nicht mehr da. Niemand war da, der hätte würdevoll in seine Fußstapfen treten können. Conrad, Gilhard und Carolus waren noch zu unerfahren, als daß sie hätten das große Land regieren können. So begannen die Minister, Ritter, Stadthalter und Kämmerer um die Macht zu streiten. Ein jeder wollte König des Landes werden und sich an den Reichtümern gütlich tun. Doch niemand vermochte sein Ziel zu erreichen, denn keiner von ihnen konnte des Reichsschlüssels habhaft werden.
Mittlerweile wusste selbst jedes Kind im Lande, daß Faungor den Schlüssel des Reiches um den Hals trug. Aber niemandem gelang es, den goldenen Schlüssel zu bekommen. Einige Minister und Ritter machten sich auf den Weg in die Berge, um Faungor den Schlüssel abzunehmen. Einige kehrten nie wieder von ihrer Reise zurück, andere kamen als Geschlagene
daher, mit gebrochenen Armen und Beinen, oder sie hatten den Verstand verloren. Die Türen im Gewölbe, die Zugang zu den
Heiligtümern des Landes gewährten, blieben verschlossen.
Selbst ein ganzer Tross mit Reitern, Fußvolk und Wagen zog aus, machte sich auf den beschwerlichen Weg in die unwegsamen Berge, um den Drachen zu töten. Ein einzelner Recke, im Geiste gebrochen und am Leibe verstümmelt, kehrte zurück. Er sprach nie wieder ein Wort. Niemand erfuhr, was geschehen war. Doch jeder sah mit Entsetzen die eine verbrannte Hälfte seines Antlitzes, die den Mann für den Rest seiner Tage entstellte.
Jahr um Jahr verfiel das Reich. Gesetze wurden nicht mehr beachtet, oder nach Gutdünken zum Wohle Einzelner verbogen. Kleine und große Enklaven der Macht bildeten sich aus, und jeder begann jeden zu bekämpfen, um seine Interessen
durchzusetzen. Das Volk litt unter den Zwistigkeiten und sehnte sich die starke Einheit des Reichens zurück.
Faungor der Drache wurde indes immer grimmiger und furchtbarer, je mehr gierige Gesellen sich in seine Nähe wagten, um ihm den Schlüssel des Reiches zu entreißen. Im Süden des Landes brannten alsbald wieder die Dörfer und Felder, je mehr Wagemutige den Drachen bedrängten.
Im Norden aber drohte der alte Feind erneut mit einer großen Streitmacht in das Reich einzufallen. Die zerstrittenen Stadtfürsten, Minister und Ritter waren nicht in der Lage, Volk und Soldaten in eine wehrhafte Verteidigung des Landes zu bringen.
Inzwischen war aus Conrad ein gestandener junger Mann geworden. Er beherrschte das Kriegshandwerk wie kein anderer, hatte gegen erdachte Feinde gekämpft, die freilich nur Puppen aus Stroh waren, oder von Pferdeknechten gespielt wurden, und war aus vielen Turnieren des Landes siegreich hervorgegangen. Einem wirklichen Feind aber hatte er niemals gegenüber gestanden.
Gilhard wurde derweil mehr gefürchtet, als sein älterer Bruder, obgleich er selten eine Waffe in der Hand hielt. Er
beherrschte das Spiel zwischen Macht, Korruption und Heuchlerei, zwischen Wahrheit und Rechtsbeugung so perfekt, daß er selbst einigen Intriganten des Hofes überlegen war. Dabei war er keineswegs böse, und hatte stets das Wohl seines Vaters
Erbe im Sinn. Doch den Weg, den er dabei beschritt, mochte niemand wirklich als ehrenhaft und gradlinig bezeichnen.
Auch Carolus war mit seinen achtzehn Jahren zu einer herausragenden Persönlichkeit geworden. Kein Urteil und keine Niederschrift wurde verfasst, ohne seine Meinung zu hören. Er besaß mit seinem jungen Alter auf vielen Wissensgebieten bereits die Gelehrtheit eines Fünfzigjährigen. Seine Kenntnis um die Künste und Wirkung von Heilmitteln oder Giften waren nicht nur anerkannt, sondern gefürchtet. Niemand wagte seine Meinung in Zweifel zu ziehen, aus Angst, er würde am nächsten Tag auf wundersame Weise nicht mehr das Sonnenlicht erblicken. Einige hielten ihn sogar für einen noch größeren Zauberer und Magister, als den alten Athanasius, der inzwischen sehr gebrechlich geworden war.
Allein Wertrud machte in anderer Weise von sich Reden. Das, was man über sie hörte, wurde allerdings nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Sie war nicht die brave Prinzessin geworden, die am Spinnrad in ihrer Kemenate saß und auf einen würdigen Freier wartete, wie es von einer Königstochter erwartet wurde.
Sie tauchte überall dort auf, wo die Not des Volkes am größten war. Sie half bei Geburten, bei Seuchen, beim Bau von neuen Brunnen und kümmerte sich um die vielen Waisen im Lande. Sie ging zur Jagd, ein Privileg, das sie als Tochter des Königs noch immer in Anspruch nehmen durfte, und verteilte das Fleisch an die Not leidenden und hungernden Menschen ihres Volkes. Sie plünderte mit Verbündeten und Freunden Saatspeicher und Lagerstätten und gab den Armen das Korn,
um Mehl für das tägliche Brot zu mahlen. Keinem Unrecht sah sie tatenlos zu. Ein gesunder Verstand gebot ihr zu tun, was ihre Brüder unterließen.
Einige Male geschah es, daß ein oder mehrere Übeltäter nach dem Gesetz hingerichtet werden sollten, die jedoch nach
der Meinung des Volkes unschuldig waren. Stets tauchte in letzter Minute ein geheimnisvoller Reiter im Mönchsgewand
auf und befreite den oder die Verurteilten, meist in einem Akt heldenhaftem Draufgängertum. Die heimliche Stimme des
Volkes vermutete Wertrud unter Kutte und Kapuze des unbekannten Ordensbruders. Doch dies offen auszusprechen, wagte niemand.
Viele Heldentaten wurden der inzwischen Siebzehnjährigen zugeschrieben, die sie allein nur schwerlich hätte vollbringen können. Für das Volk aber war sie die Hoffnung der Hoffnungslosen geworden. Wo sie erschien, kam das Licht zurück in die Herzen der Menschen. Freilich blieb das auch denen nicht
verborgen, welche die alleinige Macht im Lande anstrebten. Doch das Mädchen wurde von seinen Brüdern geschützt, und bei
manchen Gelegenheiten stellte sich überraschend heraus, daß sie sehr wohl auch selbst mit Schwert, Lanze, Pfeil und Bogen
umzugehen wusste.
Das Mädchen, dem man stets kaum Beachtung schenkte, hatte sich durch ihre uneingeschränkte Freiheit Gaben angeeignet,
die sie zu Vielem befähigten, das man mit einer Prinzessin gewöhnlich nicht in Verbindung bringen mochte.
Da nun eine Zeit angebrochen war, in der das Reich mehr als bisher in bedenklicher Weise zu zerfallen und zu verwahrlosen
drohte, machten sich einige der alten Getreuen König Clodewigs Gedanken darüber, wie das Land denn noch zu retten war. Sie befanden, daß es endlich an der Zeit war, die Thronerben mit der Regierung des Landes zu betrauen, bevor Gesetzlosigkeit und Barbarei nicht mehr aufzuhalten waren. So wurden die drei Brüder Conrad, Gilhard und Carolus gleichsam zu Königen
erklärt. Alle drei sollten mit gleicher Stimme und einvernehmlich mit dem Rat der Minister regieren. Bald darauf gab es ein großes Fest.
Zur Krönungsfeier wurde eigens ein hoher Priester bemüht, um die gekrönten Häupter nach dem neuen Glauben zu salben und zu segnen. In einer prunkvollen Krönungsfeier und
anschließendem segnenden GOttesdienst wurden die Kronen symbolisch auf die Häupter der drei Brüder gesetzt, denn die
echten Kronen blieben ohne den Schlüssel des Reiches in den Gewölben der Burg verschlossen.
Rauschende Feste und aufregende Turniere wurden abgehalten, und es schien, daß das ganze Land in Feierlichkeiten
versank. Zum größten Fest aber wurde zu Füßen der königlichen Burg geladen. Tagelang trafen Trosse mit Rittern, Fürsten und
Stadthaltern sowie mit königlichen Gesandten anderer Länder ein. Bauern brachten Schlachtvieh, Gemüse und Getreide, Holz für die Turnierbühnen und Reitställe. Fahnen wehten von den höchsten Zinnen und kündigten die neuen Könige weithin sichtbar
an. Es gab Audienzen sowohl für den Adel, als auch für das Volk, Amnestien und Begnadigungen für Diebe und kleine
Betrüger, neue Erlasse, die den Bauern und Bürgern das Leben erleichtern sollten. Der Höhepunkt aller Festlichkeiten war das große Ritterturnier mit Jagd und Gauklerei sowie mit einem ganzen Heer von Spielleuten.
Doch eines wurde im Überschwang des Trubels vergessen. Mochten auch die Minister, die hohen Priester und Würdenträger den neuen Königen ihren Segen und Beistand versprechen, regieren konnten sie dennoch nicht. Den frisch
Gekrönten fehlte der Schlüssel des Reiches.
Kein Beschluss, kein Gesetz, kein Erlass und keine Amnestie besaß Gültigkeit, solange Faungor den Reichsschlüssel um seinen Halse trug. Die drei Brüder kümmerte das wenig. Sie meinten, im Lande schalten und walten zu können, sobald sie die Würde der Krone trugen, von denen drei Stück aus Holz
nach dem Vorbild Clodewigs Krone angefertigt wurden.
Am Tage des Turniers bereiteten sich die Brüder auf den von allen gespannt erwarteten Wettkampf vor. Conrad, Sieger in vielen landesweiten Turnieren, sah sich bereits auch aus diesem Wettbewerb als Gewinner hervorgehen.
Gilhard hingegen wusste, daß er wohl ein Schwert und eine Lanze zu führen vermochte, doch einen Sieg erwartete er nicht. Er griff zu einer List. Am Tage vor dem großen Ereignis
ließ er mit Gold und Silber die Turnierrichter bestechen, und auch der eine oder andere Knappe bekam ein Säckel wohl klingender Münze, damit er dem Herren das Sattelzeug nicht allzu fest schnürte. Siegessicher streckte er sich auf seinem Lager zum Schlafe.
Aber auch Carolus wollte als siegreichster der Brüder vom Platz schreiten. Kaum der Waffenführung kundig, suchte er
seinerseits nach einem tückischen Plan. Er braute aus gelben Steinen, Salzen und Destillaten eine Tinktur, mit der er heimlich
in der Nacht die Fesseln der Pferde seiner gefährlichsten Gegner einrieb. Außerdem übergoss er die Schwerter jener Krieger, die
Aussicht auf Sieg hatten, mit einer anderen Tinktur, die das Eisen mürbe machte. Zufrieden legte er sich zur Ruhe.
An Wertrud verschwendete dieser Tage niemand auch nur einen Gedanken. Wurde sie schon als Kind nicht wahrgenommen, so dachte nun erst recht niemand an sie. Die alte Amme war inzwischen verstorben. Und so fiel niemandem auf, daß die einzige Prinzessin des Landes bei dem fürstlichen Frühstück am Morgen des Turniers fehlte.
Ritter, Freiherren und die neuen Könige stärkten sich für den großen Kampf. Dann traten sie in ihre Turnierzelte und ließen sich von den Schildknappen und Bauern rüsten, und
sich ihre Pferde bringen.
Die hölzernen Ränge füllten sich mit allerlei Volk und auf
den Tribünen nahmen der Adel und fürstliche Gäste Platz. Fahnen wehten bunt an Stangen und Lanzen, Gierlanden hingen von den Türmen und hohen Fenstern der Burg herab, und Fanfaren schmetterten laut über den Platz.
Ein Büttel rief die Turnierteilnehmer mit ihren Kriegsnamen auf und verkündeten die Regeln, die es einzuhalten galt, wollte ein Ritter nicht mit den Schmährufen des Volkes
Gestraft, und in Schande ausgewiesen werden. Der Platz links neben den drei Brüdern blieb leer. Das fiel aber kaum jemandem auf, denn solange Conrad, Gilhard und Carolus im Turnier fochten und stritten, blieben auch ihre Plätze unbesetzt.
Auf einen Fanfarenstoß hin stürmten Gaukler und Spielleute in die Arena und unterhielten die Zuschauer nach besten Künsten, während die Recken sich auf den Wettstreit vorbereiteten. Dann kündigten sämtliche Fanfaren in einem
ohrenbetäubenden Konzert den Beginn der Ritterspiele an.
Die Recken auf ihren Pferden nahmen Aufstellung. Trommelwirbel übertönten das Ah und Oh der Zuschauer. Als das Trommeln der Tambouren abrupt endete, trabten die Ritter zur ersten Runde an. Doch sie kamen nicht weit. Die Fesseln der Pferde schwollen plötzlich an, die Tiere begannen zu lahmen, und einige Reiter kippten wie von einer Riesenfaust getroffen einfach von ihren Reittieren. Jene Streitenden, die das Missgeschick
überstanden, wurden böse überrascht, als sie sich im Schwertkampf messen wollten. Ihre Waffen brachen inmitten entzwei, als waren sie aus Glas. Spott, Gejohle und Gelächter
der Zuschauer wollten kein Ende nehmen.
Immer wieder traten neue Ritter an, denen das gleiche Schicksal beschieden war. Die Leute, Adlige wie Volk, lachten Tränen und hielten sich vor Freude an diesem Schauspiel die Bäuche. Sie glaubten an eine wunderbare Narretei, freuten sich, und hatten so viel Spaß, daß sie am Abend froh und zufrieden
nach Hause gingen.
Conrad, Gilhard und Carolus aber gingen gleichermaßen als Sieger vom Platz. Sie sollten deshalb am nächsten Tag zur gleichen Stunde um ihre Ränge kämpfen. Ihre listenreichen
Tücken aber konnten sie nicht mehr anbringen, denn dies wäre selbst dem Volk aufgefallen. So gingen sie voller Sorge in ihre
Kemenaten, denn ein jeder gönnte dem anderen nicht den Triumph.
Der nächste Tag verlief zunächst wie der vorangegangene. Die Fanfaren hoben an, Trommelwirbel setzte ein und verstummte wieder. Die drei Brüder nahmen in der Arena
Aufstellung. Da kündigte der Büttel überraschend und unter dem Tönen der Fanfaren einen weiteren, neuen Herausforderer an.
Die Brüder sahen sich fragend an, doch keiner der drei konnte sich erklären, wer sie nun noch fordern wollte. Doch sie winkten dem Büttel, den neuen Bewerber einzulassen. Unter lautem Gelächter und Hohnrufen trottete ein schmächtiger Mann im Narrengewand aus bunten Flicken auf einem ausgehungerten, klapprigen Gaul in die Arena. Das Gesicht des Mannes war mit
roter, grüner und blauer Farbe bemalt, so daß sein Antlitz nicht zu erkennen war. Darüber trug er eine rote Narrenkappe mit Zipfel und Glöckchen daran. Dem Pferd standen bereits die Rippen aus dem Fell, so mager sah es aus, und der Gaukler schien ebenfalls nicht sehr standfest. Er wankte auf seinem dürren Pferd
hin und her, wie unter der Macht eines starken Sturmes.
Wie es die Regeln geboten, fragte der Büttel die Brüder, ob sie den Herausforderer annehmen wollten. Um nicht als Feiglinge vor einem Unwürdigen dazustehen, nahmen sie an, denn es wäre töricht gewesen, vor einem Schalk aufzugeben. Diesen, der sie mit seinem Gewand und Auftreten verspottete, mochte noch das Lachen vergehen. Jeder der Brüder rechnete damit, den Sieg über den Schelm davon zu tragen, und so die Entscheidung zwischen ihnen noch einen Tag aufzuschieben. In einer Nacht konnte ihnen noch mancher Einfall zu einer List gereichen.
Das Volk in den Rängen und der Adel in den Logen bogen sich vor Lachen, als der Narr beim Enden des Trommelns auf seinem Klepper hin und her rutschte, kaum die Lanze hoch bekam, und sich abmühte, dem Reittier die Fersen in die Seite zu stemmen, um es zu vorwärts zu bewegen.
Conrad, sich seines Sieges gewiss, gallopierte mit erhobener Lanze heran. Im letzten Augenblick ließ der Narr sein Pferd vorwärts springen und stieß die Lanze in ritterlicher Manier vor. Mit einem heftigen Schlag auf seinen Schild wurde Conrad von seinem Pferd gestoßen, flog durch die Luft und krachte auf den Boden, wo er unter Schmerzen liegen blieb.
Die Zuschauer schrieen überrascht auf und ein Raunen aus Verwunderung und Entsetzen ging durch die Reihen. Der Narr aber sprang behände von seinem klapprigen Ross, trat zu Conrad, nahm ihm als Zeichen des Sieges das Siegel ab, das dieser um den Hals trug, und raunte ihm leise ins Ohr:
»Merket auf, Herr König. Allein jener, dessen Herz voll Ehrlichkeit und Güte ist, wird den Schlüssel des Reiches von Faungor bekommen!« Damit schwang sich der Gaukler wieder auf seine Mähre und ritt gemächlichen Schrittes zum Start zurück. Dort wartete er auf den zweiten Bruder Gilhard.
Der jedoch war nun gewarnt. Er rief dem Narren zu, ob er sich denn getraue, auch mit dem Morgenstern zu kämpfen. Der Schelm war damit einverstanden und ein Knappe brachte die eiserne, gezackte Kugel an Kette und Stab heran. Als der Narr das Kriegsinstrument in die Hand nahm, pendelte die schwere Kugel hin und her, und riss ihn fast vom Pferd.
Wieder erhob sich ein Gejohle und spottreiches Lachen unter dem Publikum, und Gilhard war sich seiner Überlegenheit schon gewiss. Wieder schmetterten die Fanfaren, wieder wirbelten die Trommeln, deren Klang dann plötzlich erstarb.
Die Kontrahenten ritten aufeinander zu und schwangen die
Morgensterne. Gilhard zielte seine Kugel auf den Narren, der jedoch gerade in diesem Augenblick vom Pferd zu fallen drohte, und sich zur Seite neigte. Das Eisen traf ins Leere. Der Narr jedoch richtete sich flink wieder auf und schwang seinerseits den
Morgenstern. Wie von einem Sturm wurde Gilhard von seinem Ross gefegt, und landete schmerzhaft im Sand des Turnierplatzes.
Die Zuschauer sprangen von den Rängen auf und taten ihrem Erstaunen kund. Der Gaukler jedoch sprang frisch und munter von seinem Pferd, nahm Gilhard als Zeichen des Sieges den Ständeorden ab, den dieser um den Hals trug, und flüsterte ihm leise ins Ohr:
»Höret, ihr Herr König. Nur dieser, dessen Herz voll Ehrlichkeit und Güte ist, wird den Schlüssel des Reiches von Faungor bekommen!« Damit stieg er wieder auf sein Rösslein und trabte gemütlich zum Start zurück, wo er auf den dritten Bruder Carolus wartete.
Der aber meinte, aus den Missgeschicken seiner Brüder reichlich gelernt zu haben und schlug dem Schelm das Schwert als Waffe vor. Der Gaukler willigte ein, und ein Knappe brachte ein prächtiges Schwert mit langer, schwerer Klinge heran. Als nun der Narr die Waffe in die Hand nahm, so fiel er unter dem
Gewicht um, und musste sich mühsam wieder aufrappeln. Das Gelächter der Gäste und des Hofstaates schien kein Ende nehmen zu wollen, und Carolus glaubte, jenen Schalk, der kaum das Schwert zu halten vermochte, schon besiegt zu haben.
Carolus trat mit erhobenem Schwert in die Arena, und die beiden Streiter schritten aufeinander zu, nachdem Fanfaren und
Trommeln schwiegen. Der Narr jedoch musste die Klinge seines Schwertes durch Sand und Stroh hinter sich her ziehen, so
schwer schien ihm die Waffe zu sein. Das Volk johlte, lachte und brüllte über den offensichtlichen Spaß.
Als Carolus heran war, holte er aus und es hatte den Anschein, daß er dem Scherz nun endlich ein Ende bereitete. Doch gerade, als die Waffe auf das Haupt des Narren niederging, stolperten dessen Füße über sein eigen Schwert und Carolus Schlag ging in den Boden. Der Schelm aber schwang nun mühelos sein Schwert herum und schlug den neuen König so hart von den Beinen, daß dieser im Staube liegen blieb.
Überraschte Ausrufe und Beifall von Rängen und Logen hallten über den Turnierplatz. Der Narr aber trat zu Carolus,
nahm ihm zum Zeichen des Sieges die goldene Münze ab, die dieser um den Hals trug, und sprach zu ihm:
»Wisset, mein Herr König. Nur diesem einen, dessen Herz voll Ehrlichkeit und Güte ist, wird es gelingen, den Schlüssel des Reiches von Faungor zu bekommen!« Damit
schritt der Narr ruhigen Schrittes aus der Arena und ward nicht mehr gesehen.
Conrad, Gilhard und Carolus rätselten, wer dieser Narr gewesen und hießen ihre Vertrauten nachzuforschen. Doch der Schelm war und blieb verschwunden, und niemand vermochte herauszubringen, wer er war. Die Brüder aber dachten schon bald nicht mehr an diesen Schalk. Das Fest ging weiter und sie
nahmen ihre Plätze auf der Tribüne ein.
Doch erst als die Gaukler und Spielleute zur Unterhaltung die Arena in ein buntes Treiben verwandelten, kam die Prinzessin Wertrud hinzu. Sie trug ein wundervolles blaues, mit
goldenen Borten und weißen Rüschen abgesetztes Kleid, und aller Augen staunten über ihre Lieblichkeit und Schönheit, denn
bis dahin kannte sie jeder nur in den Gewändern von Mägden oder Knechten.
Das lange, dunkle Haar wurde von einem schlichten, silbernen Diadem zusammengehalten, und an den Füßen trug sie weiß- goldene Schuhe feinster Schusterkunst. Erstaunt fragten ihre Brüder, denen zuvor der leere Platz aufgefallen war:
»Holde Schwester, wo wart ihr, als wir um Lohn und Ehre rangen?«
»Ich verlieh einem Narren Herz und Verstand«, antwortete sie. Die Brüder wunderten sich über diese seltsame Rede, dachten sich aber nicht viel dabei. Gemeinsam wohnten sie den Siegesfeiern und Ehrungen der Streiter bei. Der wahre Sieger jedoch, der eigentümliche Schelm, wurde nie mehr gesehen.
Nachdem die Fanfaren und Trommeln im Lande wieder verstummt waren, der hohe Priester und alle Gäste des Adels und des Volkes abgereist waren, und Bauern und Bürger wieder ihrer täglichen Arbeit nachgingen, kehrten auch in der Burg, bei
den drei neuen Königen, ruhigere Zeiten ein.
Doch der Friede täuschte. Conrad, Gilhard und Carolus waren nun wohl Könige, doch zu regieren vermochten sie ihr Reich nicht. Ohne den Reichsschlüssel konnten sie kein Siegel unter ein Gesetz, oder einen Beschluss setzen, sie konnten keine
Rechnungen aus der Staatskasse begleichen, und es war ihnen nicht möglich, ein Heer aufzustellen und auszurüsten, um die Barbaren, die immer schlimmere Raubzüge unternahmen, von der Küste fernzuhalten.
Ritter um Ritter wurde mit seinem Gefolge ausgesandt, den Schlüssel des Reiches der Karolinger beizubringen. Nicht
einer dieser mutigen Recken jedoch kehrte zurück. Sogar das Versprechen der Brüder, daß derjenige, welcher den Schlüssel bringen würde, ihre Schwester, die schöne Wertrud zur Frau bekommen sollte, und noch ein Fürstentum dazu, brachte keinen Erfolg. Statt dessen mehrten sich die Nachrichten, daß Faungor im Süden des Landes arge Verwüstungen anrichtete, um die
ständigen Angriffe gegen ihn zu rächen.
Der Rat der Ältesten und Weisen kam zu dem Schluss, daß es so nicht weitergehen konnte, und daß die drei Könige endlich selbst zu Faungor gehen müssten, um das Land vor
dem Untergang zu bewahren. Mit dem Mut der Verzweiflung trugen sie den drei Herrschern ihre Ansicht vor. In jenen Tagen konnte einer wegen solcher Forderung durchaus alles, ab dem Halse aufwärts verlieren.
Doch Conrad, Gilhard und Carolus erklärten sich bereit, diese Last für Erbe und Reich auf sich zu nehmen. Ein jeder der drei Könige dachte nämlich bei sich: Habe ich Erfolg, so kann ich vor meinen Brüdern den Thron besteigen und vor ihnen in die Kathedrale schreiten, und vor ihnen mein Siegel auf alle Urkunden setzen. Und sie rüsteten sich zum langen Ritt in die
hohen, steilen Berge, wo Faungor in seiner Felsenfeste hauste.
Ungefähr zu dieser Zeit verschwand die Prinzessin Wertrud. Da sie von niemandem groß beachtet wurde, fiel ihr Verschwinden in der Burg zunächst nicht auf. Doch als sie auch
im Volk niemand mehr zu Gesicht bekam, und man schließlich erfolglos nach ihr suchen ließ, stand fest, daß sie nicht mehr im Lande war.
Die drei Brüder freilich vermissten sie kaum. Sie waren damit beschäftigt, ihre Trosse und Züge gegen Faungor zu rüsten.
Doch das Volk und alle, die sie gern hatten, merkten bald, daß etwas im Lande fehlte, das sie mehr vermissten, als die neuen Könige, die nicht einmal imstande waren zu regieren.
Überall beklagte man, daß der Prinzessin Rat fehlte, ihre Hilfe und ihre Güte, die so manche Not gelindert hatte. Doch alles Bitten und Flehen half nichts. Die Prinzessin blieb
verschwunden und kehrte nicht zurück.
Die alten und Weisen traten vor die Könige und baten um Ritter und Herolde, um die Prinzessin weiter suchen zu lassen. Doch die drei Brüder wiesen die Gelehrten ab. Sie meinten es wäre zunächst wichtiger, den Schlüssel des Reiches zu erlangen. Und ein jeder der drei dachte bei sich: Habe ich erst einmal den Schlüssel, so mögen sich getrost meine Brüder um das Schicksal unserer Schwester kümmern.
Weil aber das Land und die Burg nicht ohne eine starke Hand zurückbleiben konnte, wurde entschieden, daß Conrad, der älteste der Brüder, zuerst sein Glück versuchen sollte. Mit Fanfaren, Tambouren, Gierlanden und Fahnen wurde Conrad aus der Burg verabschiedet.
Der Tross mit Rittern, Wagen, und Fußknechten zog gen Süden. Sie kamen durch manche Stadt und viele Dörfer, wo man den Zug, allen voran Conrad, bejubelte und hoch leben ließ. Dann musste Conrad mit seinem Gefolge durch den großen, dunklen Wald ziehen, durch den nicht einmal ein rechter Weg führte. Der Ritt durch dichtes Tann dauerte drei Tage und drei Nächte. Da kamen sie endlich zu einer kleinen Lichtung, auf der ein armseliges Hüttlein stand.
Zur Freude über diesen hellen Fleck inmitten des finsteren Waldes ließ Conrad rasten. Sogleich trat aus der Hütte ein gebeugt gehender, schmächtiger Mönch, der seine Kapuze tief im Gesicht trug, so daß man sein Antlitz nicht erkennen konnte. Er ging zu Conrad, drückte dem erstaunten König das Siegel in die Hand, welches ihm der Narr beim Wettkampf als Zeichen des Sieges abgenommen hatte, und sagte mit leiser Stimme: »Denket daran, was euch jener geraten, der euch dieses Siegel nahm. Allein dieser, dessen Herz voll Ehrlichkeit und Güte ist, wird den Schlüssel des Reiches von Faungor bekommen!«
Damit wandte sich der Mönch um, und verschwand wieder in der Hütte. Conrad aber war sehr verwundert. Woher hatte der Mönch sein Siegel, und woher wusste dieser von dem Narren? Er hieß seine Ritter ihn noch einmal aus der Hütte holen, doch so sehr sie auch suchten, die Kate war leer und der blieb Mönch verschwunden.
Als der Tross einige Zeit weiter geritten war, begegnete ihm ein altes Mütterchen, das gebrechlich auf einen Stock gestützt am Wege stand und jammerte.
»Ach, o großer Herr und König, was wiederfuhr doch mir altem, dummen Weibe. Ich verlor mein Enkelkind beim Pilze suchen im dichten Tann und nun find ich es nimmer. Ihr seid der kräftigen Mannen so viele, so bitt ich euch, helft mir suchen, daß mein Enkelchen nicht unter die wilden Tiere kommt.«
Doch Conrad antwortete barsch: »Weicht zur Seite, Alte, was geht mich eure Brut an. Ich habe ein Königreich zu führen, und keine Zeit, verloren gegangene Kinder zu finden. Suchet nur selbst nach ihm, ist es doch euer eigen Fleisch und Blut!«
Damit gab er seinem Pferd die Sporen und ritt so forsch an der Alten vorbei, daß sie an den Rand des Weges gestoßen wurde und hinfiel.
Nach langer Reise erreichte des Königs Zug endlich die rauen Berge, in denen der Drache Faungor lebte. Mit seinen kräftigsten Rittern stieg Conrad zu den grauen und schwarzen Felsen hinauf. Oben, an einer karsten Kante, erschien der Drache und begrüßte sie mit einer Wolke aus Feuer und Rauch. Conrad sah den Schlüssel um seinen Hals hängen, bekundete, daß er in Frieden gekommen war, und daß er nun, als der ältere Stamm König Clodewigs den Schlüssel des Reiches fordere.
Faungor ließ den König herantreten und blickte ihn lange durchdringend mit seinen scharfen, gelben Augen und dem
schwarzen Schlitz darin an. Dann holte er tief Luft, daß sich seine Brust blähte und wölbte, und er hustete und prustete Feuer und Funken, so lange, bis der König zu einem Häuflein Asche verbrannt war.
Da nahm Faungor des Königs Siegel an sich und zog sich in seine Höhle zurück. Als Ritter und Recken sahen, was mit ihrem König geschehen war, bekamen sie eine solche Angst, daß sie Hals über Kopf davon liefen.
Als die Kunde vom Missgeschick und Tod des Königs in der Burg eintraf, dachten Gilhard und Carolus: Wenn der Bruder nicht mehr ist, so müssen wir den Thron nur noch durch uns beide teilen. Dennoch konnte das Land nicht regiert werden, denn Faungor hütete noch immer den Schlüssel des Reiches.
Da machte sich der zweite Bruder Gilhard auf, den Schlüssel zurück zu bringen. Wie zuvor Conrad, so zog
auch Gilhard mit einem großen Tross gen Süden. Und auch der zweite Bruder musste den großen, unheimlichen Wald durchqueren. So gelangte Gilhard mit seinen Rittern eben zu jener kleinen Hütte auf Lichtung inmitten des finsteren Tann, und ließ halten.
Wieder kam der dünne Mönch aus seiner Kate, schritt auf Gilhard zu und reichte ihm den Ständeorden, welchen ihm der Narr beim Turnier als Siegeszeichen abgenommen hatte, und sprach zu ihm:
»Erinnert euch stets daran, was jener euch geraten, welcher euch diesen Orden nahm. Nur dieser, dessen Herz voll Ehrlichkeit und Güte ist, wird den Schlüssel des Reiches von Faungor bekommen!«
Damit kehrte ihm der Mönch den Rücken und ging wieder in sein Häuschen. Gilhard aber, überrascht über die Kenntnis des Mönchs, wollte wissen, wie er zu dem Orden kam, und hieß seine Recken, ihm den Geistlichen noch einmal vorführen.
Doch soviel seine Leute auch in der Hütte suchten, den Mönch vermochten sie nicht mehr zu finden. So ritten sie denn mit dem Geheimnis weiter.
Alsbald kam der Zug des Königs an einem Dorf vorüber, dessen Bewohner klagten:
»Herr und König, unser Dorf ist dem Versprechen eines listigen Fürsten zu Lehen, der uns das Vieh und die Ernte nimmt, und uns zu wenig lässt, um unsere Kinder zu nähren. Ihr seid von klugem Stande, wir bitten euch, erstreitet uns einen Handel, der uns ein bescheiden Auskommen gewährt!«
König Gilhard aber schalt die armen und hungernden Dörfler und rief ihnen zu:
»Was gehen mich eure par armseligen Hütten an. Schuld seid ihr ja selber, daß ihr nichts zu beißen habt. Was macht ihr auch einen solchen Handel mit einem, der euch weit über ist. So handelt nun auch selbst um euer täglich Brot!«
Damit gab er seinem Pferd die Sporen und ließ die
Verzweifelten einfach stehen.
Nach weiteren Tagen beschwerlicher Reise gelangten Gilhard und seine Mannen endlich an das steile, hohe Gebirge mit seinen schroffen Gipfeln. Im Schutze seiner Getreuen stieg Gilhard zu den grauen, schwarzen Felsen auf, in denen Faungor
hauste.
Da erschien der Drache oben an des Felsens Kante und blies ihnen Feuer und Rauch entgegen. Gilhard sah den Schlüssel um des Drachen Halse hängen, trat vor und zog eine
Vertragsrolle aus seinem Gewand. Mit diesem Papier versprach er Faungor ein geduldetes Dasein in seinem Felsenhorst, wenn er ihm den Schlüssel gab, den er als Standes Recht forderte.
Faungor ließ König Gilhard herankommen und blickte ihn lange und durchdringend mit seinen scharfen, gelben Augen und dem schwarzen Schlitz darin an.
Doch was er sah gefiel ihm nicht. Denn er holte tief Luft, daß sich seine Brust weit aufblähte und wölbte, und hustete und
prustete Feuer und Funken, so lange, bis der König mitsamt seinem Vertrage zu einem Häuflein Asche verbrannt war. Dann nahm Faungor des Königs Orden an sich und zog sich in seine Höhle zurück. Als die Getreuen Gilhards das sahen, bekamen sie es so sehr mit der Angst zu tun, daß sie Hals über Kopf in alle Himmelsrichtungen flohen.
Als auch Gilhard nicht zur Burg zurückkehrte, dachte Carolus bei sich: Nun, so mag der Thron mir allein gehören. Den Schlüssel werde ich schon beibringen. Und so zog auch der letzte der Brüder mit seinem Zug zu den hohen Bergen. Wie zuvor seine Brüder, gelangte auch Carolus in den großen Wald und zu der Hütte auf der Lichtung. Auch er ließ seinen Tross
halten und rasten. Da trat der einsame Mönch aus seinem Haus und ging zu Carolus. Er reichte ihm die goldene Münze, die ihm der Narr bei den Festspielen abgenommen hatte, und sprach: »Vergesst nicht, was jener euch geraten, welcher euch diese Münze nahm. Nur diesem einen, dessen Herz voll Ehrlichkeit und Güte ist, wird es gelingen, den Schlüssel des Reiches von Faungor zu bekommen!«
Damit wandte sich der Mönch um, und schritt in seine Kate zurück. Carolus aber blickte fassungslos auf die Münze, von der es nur diese eine gab, und wunderte sich, woher der Mönch diese hatte, und von welcher Kunde er von dem Turnier und dem Narren wusste. Er schickte seine Leute in die Hütte, den Mönch noch einmal zu holen, daß er ihn befragen konnte. Doch so sehr seine Gefolgsleute auch nach ihm suchten, der Mönch war und blieb verschwunden.
Es wird erzählt, daß Jahre später ein Zug Reisender dieselbe Hütte fanden. Als sie in die halb verfallene Kate eindrangen, fielen sie der Reihe nach durch eine alte, morsche
Falltür in einen Raum unter der Hütte, aus dem ein Gang hinterwärts ins Freie führte.
Carolus nun, zog mit seinem Tross weiter und hatte den Mönch bald vergessen. Da kam sein Zug an einem Dorf vorbei, dessen Bewohner ihn auf Krücken und mit dicken Verbänden
willkommen hießen. Sie sprachen zu ihm:
»Ach, edler Herr König, der Ruf eurer Gelehrtheit eilt euch weit voraus. Unser Dorf ist von einer seltenen, grausamen Krankheit gepeinigt. Wir bitten euch, helft uns, das Leiden
auszumerzen, damit wir wieder unserer ehrlichen Arbeit nachgehen können.«
König Carolus aber erwiderte barsch: »Was geht mich euer Wohlbefinden an? Arbeitet redlich und zahlt pünktlich euer Zins, so wird die Krankheit schon wieder fort gehen. Ich habe ein großes Reich zu regieren, und keine Zeit, den Medicus für euch zu
tun!«
So gab er seinem Pferd die Sporen und ritt an der Spitze seines Zuges davon.
Nicht lange danach erreichte Carolus das Gebirge. Mit seinen Vertrauten stieg er die grauen und schwarzen Felsen hinauf, in denen Faungor hauste. Der Drache erwartete ihn bereits an des Felsens Kante und blies ihm Feuer und Rauch entgegen.
Da trat Carolus mutig vor, und forderte von dem Untier den Schlüssel des Reiches. Um den Drachen gut zu stimmen, zog er eine Kürbisflasche unter seinem Gewand hervor, die mit einer Tinktur gefüllt war, die willenlos machen sollte. Er warf dem
Drachen die Flasche zu, und dieser sog den Duft der Flüssigkeit mit seinen großen Nüstern ein. Die Tinktur jedoch blieb ohne
Wirkung.
Faungor aber ließ den König herantreten und sah ihm lange mit einem tiefen Blick seiner scharfen, gelben Augen und dem
schwarzen Schlitz darin in Herz und Seele. Dann holte er tief Luft, bis seine Brust sich weit aufblähte und wölbte, und hustete und prustete Feuer und Funken, so lange, bis der König mitsamt seinem Zaubertrank zu einem Häuflein Asche verbrannt war. Als Carolus Begleiter dies sahen, schrieen und klagten sie und liefen vor Angst in alle Richtungen davon.
So nun die Kunde vom Misserfolg und Tod des Königs auf der Burg eintraf, war guter Rat teuer. Das Land hatte keinen König mehr, und die Minister und Stadthalter konnten
ohne den Schlüssel des Reiches nicht regieren.
Noch während die Alten und Weisen Beratung hielten, kehrte wie durch ein Wunder die Prinzessin Wertrud zurück.
Überall im Reich, wo die Menschen die Prinzessin erblickten, brachen Freude und Jubel aus, das Volk huldigte ihr, ließ sie hoch leben, und die Bürger der Städte und Bauern der Dörfer beherbergten sie auf das Liebevollste.
Die Menschen des Volkes kamen zu ihr, klagten ihr Leid, baten um Hilfe und Rat. Wertrud blieb an jedem Ort, bis das Leid getilgt, und ein Jeder zufrieden und glücklich war.
Die Kunde von der Rückkehr der Prinzessin erreichte auch die Burg. So ließ der Rat der Alten und Weisen einen Herold
aussenden, um die Prinzessin rasch auf die heimatliche Burg zu geleiten. Es brauchte jedoch eine lange Zeit, bis das Mädchen vor
dem Rat stand, denn sie hielt überall dort, wo die Menschen ihres Volkes ihrer bedurften.
Der Rat und die Minister hatten derweil beschlossen, der Prinzessin, die überall bei Bürgern und Bauern gleichermaßen beliebt und geachtet war, die Krone zu entbieten. Als die Alten die
Königstochter befragten, wo sie denn all die lange Zeit zugebracht hatte, so antwortete diese nur:
»Ich versuchte in der weiten Welt dreier Narren Herz und Seele zu erretten. Doch ich muss verkünden, daß ich versagt
habe.«
Die Weisen Männer wunderten sich über diese Aussage, denn der Prinzessin Urteil und Erfolg in allen Dingen waren inzwischen über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Nun drängten sie die Prinzessin, als einzige Nachkomme Clodewigs den Thron zu besteigen, um das Land zu regieren.
Da sprach das aufgeweckte Mädchen: »Wie könnt ich mir anmaßen, den Thron zu besteigen und mir die Krone auf das Haupt zu setzen, ohne den Schlüssel des Reiches? Mein guter Vater, hatte im Sinn, nur jenem den Thron zu gewähren, der dazu imstande wäre, dem grausamen Faungor den Schlüssel zu
entreißen. Doch will ich um des Volkes Willen gerne in das Land der hohen Berge ziehen und mich versuchen, den Drachen
gütlich zu stimmen. Gelingt es mir, den Schlüssel zu bringen, so will ich mich dem Schicksal beugen und das Land führen.«
Damit mussten die Minister und Weisen einverstanden sein, denn es blieb ihnen nichts anderes übrig. Sie ließen einen Tross für die Prinzessin rüsten, und sogleich machte sich das Königskind auf den Weg.
Unterwegs gelangten sie in ein Dorf, in dem die Hebamme des Nachts verstorben war. Doch kamen gerade zu dieser Zeit einige Frauen in glückliche Niederkunft. So baten die Dörfler die Prinzessin um Hilfe. Die Trossführer aber mahnten:
»Wir müssen weiter, eure königliche Hoheit, denn die Zeit
drängt und das Land ist ohne Herr und König und bedarf dringend der Krone!«
Doch die Prinzessin erwiderte: »Ich wäre eine schlecht beratene Königin, wollte ich die Bitten meines Volkes nicht erhören und ihnen helfen.« Und so ließ sie halten, kümmerte sich daselbst um die Mütter, half den Kindlein auf die Welt und ging erst, als sie gewiss war, daß ihr Volk versorgt war.
Sie zogen weiter und kamen zu einem Hof, dessen Hausvieh an einer seltsamen Krankheit litt. Die Bauernfamilie bat die Prinzessin, deren Heilkunst im ganzen Land gepriesen war, um Hilfe. Wieder ermahnte sie der Trossführer:
»Euer königliche Hoheit, wir können nicht rasten, denn das Land ist ohne König und Thron und bedarf dringend der herrschaftlichen Führung!«
Die Prinzessin aber erwiderte: »Was wäre ich doch für eine schlechte Königin, wenn mir nicht der Geringste aus meinem
Volke gleich dem Bedeutendsten wäre.«
Sogleich ließ sie halten, besah sich des Bauern Vieh und riet dem Mann:
»Gebt acht, daß euer Heu nicht feucht, oder gar nass ist,
so bekommt es euren Tieren besser und sie werden nicht mehr krank.«
Der Bauer beteuerte, daß es nicht an seiner Nachlässigkeit lag, sondern daran, weil das Dach des Hauses undicht war, er aber keinen Kreuzer mehr besaß, um es zu reparieren. Da gab ihm die Prinzessin ein Beutelchen mit Silber für neue Schindeln und war sich nicht zu fein, ihm das Heu trocknen. Als die Tiere wieder genesen und das Heu trocken war, setzte sie ihren Weg fort.
Da nun der Tross durch den großen Wald kam, begegnete ihm ein altes Mütterchen, das jammerte und klagte:
»Ach, o große Königin, was wiederfuhr doch mir altem, dummen Weibe. Ich verlor mein Enkelkind beim Pilze suchen im dichten Tann und nun find ich es nimmer. Ihr habt so viele der kräftigen Mannen bei euch, so bitt ich euch, helft mir suchen, daß mein Enkelchen nicht unter die wilden Tiere kommt.«
Wertrud stieg von ihrem Pferd und ging auf die Frau zu. Da trat der Trossführer dazwischen und ermahnte sie:
»Herrin, achtet nicht auf die verrückte Alte, denn wir müssen uns eilen, der Sand im Zeitglas rinnt uns davon und das
Reich bleibt ohne Thron und Krone!«
Die Prinzessin aber antwortete: »Was wäre ich denn für eine grausame Königin, wollte ich meine Augen verschließen vor
jenen, die meiner Hilfe bedürfen.«
Also ließ sie halten und absitzen und hieß ihre Leibgetreuen in den Wald ausschwärmen, um das Enkelkind zu suchen. Zu der Alten aber sprach sie:
»Noch bin ich eure Königin nicht, denn mein Schicksal wird sich erst erfüllen. Doch sorgt euch nicht, gute Frau, mit GOttes Hilfe werden wir euer Kindlein finden, und sollte es viele der Tage und Nächte brauchen.«
So suchten sie einen Tag und eine Nacht, und sie fanden das Kind wohlbehalten unter einem alten Ulmenbaume. Die Alte Frau aber sprach für die Prinzessin einen guten Segen und Wertrud setzte ihren Weg mit ihrem Gefolge fort.
Endlich erreichten sie das hohe Gebirge. Sogleich begann Wertrud zu den grauen und schwarzen Felsen aufzusteigen, wo Faungor der Drache hauste. Ihre Ritter zogen die Schwerter und gedachten sie zu begleiten. Doch die Prinzessin wies diese an,
zurückzubleiben.
Da sprach der Trossführer zu ihr: »Denkt, eure königliche Hoheit, was euren Brüdern wiederfahren war. Lasset nicht ab
vom Schutze der Schwerter und Lanzen, denn es kann euren Tod bedeuten!«
Doch Wertrud erwiderte: »Auch Lanzen und Schwerter vermochten meine Brüder nicht von ihrem Wege abbringen, der
Faungor missfiel. Ebenso wenig vermochten sie ihnen Schutz zu geben. Was also nützen sie mir? Wie GOtt mich schuf, so trete ich vor mein Schicksal hin, und empfange es, wie es der Herr mir angedacht. Kehre ich nicht zurück, so war ich auch nicht würdig, die Krone dieses Volkes zu tragen!«
Damit löste sie den Gurt, der ihr Schwert hielt und gab es dem Trossführer. Auch Schuhe und Mantel gab sie ihm. Mit bloßem Hemde auf dem Leib stieg das Mädchen über scharfen Stein zu der Kante hinauf, wo Faungor sie bereits erwartete. Feuer und Rauch blies er ihr entgegen.
Doch Wertrud ließ sich davon nicht Glaube und Mut nehmen. Unerschrocken trat sie vor, verbeugte sich demütig und sprach:
»Faungor, O Herr über das Feuer und die Lüfte, ich bitt euch sehr. Gaben, um euch wohl zu stimmen, bringe ich nicht. Habt dennoch kein Argwohn gegen mich, und gebt mir den Schlüssel von meines Vaters Reich. Feierlich und vor GOtt unserem Herrn will ich geloben und euch zusagen, diesem Lande eine gute Königin zu sein, und dass auch den Geringsten in
meinem Lande ich achten will.«
Faungor ließ die Prinzessin herantreten und sah ihr lange mit dem tiefen, durchdringenden Blick seiner scharfen, gelben Augen und dem schwarzen Schlitz darin in Herz und Seele. Dann holte er tief Luft, bis seine Brust sich weit aufblähte und wölbte. Dann neigte der Drache sein Haupt vor der Königstochter zu Boden und schüttelte seinen hässlichen Kopf so lange, bis die Kette mit dem Schlüssel von seinem Halse rutschte und Wertrud vor die Füße fiel.
Dann scharrte er mit seinen Furcht bringenden Krallen auf dem Stein und schob ihr drei kleine Dinge hin, die Wertrud sogleich erkannte. Es waren das Siegel, der Ständeorden, und die goldene Münze, jene Dinge, die ihre Brüder neben ihrem Leben unter Faungor eingebüßt hatten.
Das Mädchen nahm die Siegeszeichen ihrer Brüder und den Schlüssel des Reiches an sich, verbeugte sich noch einmal vor dem Hüter des Landes und kehrte wohlbehalten zu ihrem Tross zurück. War das eine Freude und ein Jubel, als sie mit dem Schlüssel um den Hals den Berg herabgestiegen kam. Die Ritter und Edelleute, die sie begleiteten, knieten vor ihr nieder und schworen ihr ewige Treue in guten, wie in schlechten Zeiten.
Froh und glücklich machte sich der Zug auf den Heimweg. Sie gelangten durch viele Städte und Dörfer, wo Wertrud halten ließ, um dem Menschen in Leid, Not und Mutlosigkeit zu helfen und beizustehen. Überall wurde sie mit Jubel und Hochrufen
empfangen und wieder verabschiedet. So brauchte es eine lange Zeit, bis der Tross die heimatliche Burg erreichte.
Inzwischen war das Land sehr in Not geraten. Die Barbarenstämme waren an den Ufern der Küste gelandet und hielten den Norden des Landes besetzt. Einige Fürsten und
Stadthalter hatten das Volk in ihrer Gegend unterworfen und knechteten die Menschen auf das Schlimmste. Ernten waren
ausgefallen und Brunnen versiegt.
Mit Ungeduld wurde die Prinzessin bereits erwartet. Die Alten, Weisen und die Minister wollten sogleich die Feierlichkeiten zur Krönung ausrufen und Herolde in alle Richtungen des Landes und darüber hinaus entsenden, um die Gäste und den hohen Priester zu laden. Sogleich sollten die Bauern und Bürger der Umgebung verpflichtet werden, reichlich Waren und Geschenke für das große Krönungsfest zu bringen, und Handwerksleute sollten große Tribünen aufzubauen.
Doch Prinzessin Wertrud trat vor den Rat und sprach entschlossen:
»Was wäre ich doch für eine eitle Königin, wollte ich mein Land in der Not heißen, rauschende Feste auszurichten. Eine einfache Krönung mag es werden, und ein guter, GOttes fürchtiger Vater mag mir den Segen sprechen. Gebt statt dessen den Armen und Not leidenden, so sie erkennen, daß eine Königin nunmehr den Thron bestiegen hat.«
Und so geschah es. Es gab eine schlichte Krönungszeremonie, bei welcher die neue Königin das erste und das letzte Mal ihre Krone trug. Fortan trug sie nur noch einen
schlichten Goldreif um ihr Haar zu binden.
Sie entließ alle Minister und Stadthalter, die sich am Volke bereicherten, und warf die Barbaren zurück ins Meer. Sie sorgte für GOttes Ehr, Gelehrigkeit und Kunstsinn im Lande, und tat, daß Krankheiten ebenso besiegt wurden, wie die Armut unter dem Volke.
Bald hieß Wertrud niemand mehr eine Königin. Beim Volke wurde sie nur noch die Mutter des Landes genannt, denn sie kümmerte sich selbst wie eine Mutter um jedes Anliegen ihres Volkes und achtete auch die Geringsten ihrer Untertanen wie die
Bedeutendsten.
Die Königin regierte viele Jahre lang mit Verstand, Verständnis und großer Güte, so, wie sie es Faungor zugesagt hatte. Doch sie nahm sich nie einen Manne mit auf den Thron. Bewerber gab es freilich viele. Doch entweder waren sie faul, oder sie trachteten nur nach ihrem Reichtum, oder sie waren so dumm und hässlich, daß Wertrud diese ihrem Volke nicht zumuten wollte. Andere wieder hatten nur die Macht im Sinne, oder waren Gottlos, und wieder andere, suchten einen bequemen Ruhesitz.
So blieb denn die Königin ohne Nachkommen, und als sie so lange regiert hatte, daß sie bereits alt und im Haar ergraut war, dachte sie voller Sorge darüber nach, wer denn das Reich und das Wohl ihres des Volkes fortführen mochte. Doch solange sie auch nachdachte und grübelte, ihr fiel kein Menschenwesen ein, das hätte ein so großes Reich voller Weisheit und Güte regieren können.
Als sie schließlich so gebrechlich wurde, daß sie meinte, nicht mehr lange zu leben zu haben, erinnerte sie sich daran, was ihr Vater Clodewig getan hatte. So ließ sie einen Tross ausrüsten und machte sich ein letztes Mal auf eine lange Reise. Mit verzehrender Kraft erreichte sie die hohen Berge und stieg die grauen und schwarzen Felsen hinauf, dorthin, wo Faungor in seiner Steinfeste hauste.
Der Drache erwartete sie bereits an der Kante der Felsen und begrüßte sie mit Feuer und Rauch. Die Königin trat mutig auf Faungor zu, holte schweren Herzens den goldenen Schlüssel des Reiches unter ihrem Gewand hervor, und als Faungor sein Haupt neugierig dem glänzenden Gegenstand entgegen neigte, warf ihm Wertrud die Kette, an dem der Schlüssel hing, über den Hals. Dazu sprach sie feierlich:
»Alt bin ich nun geworden, O Hüter des Landes und
Herrscher der Lüfte, und meine Kraft reicht nicht mehr, das große Reich zu regieren und zu einen. Darum soll allein jener, welcher dir den Schlüssel des Reiches wieder abzuringen vermag, nach meinem Tode der König dieses Landes sein! Bewahre ihn gut, O Faungor, in deinen und GOttes Schutz befehle ich dieses Reich, bis zu dem Tage, da einer würdig ist, über dieses Land zu herrschen!«
Damit zog sich die Königin mit demütig geneigtem Kopf zurück. Faungor schüttelte heftig sein hässliches, braunes Haupt, ließ die stechenden, gelben Augen mit dem schwarzen Schlitz aufblitzen und zog sich schnaubend in den tiefen Stein zurück.
Kurz darauf verstarb die gütige Königin. Doch auf ihre Burg kehrte sie nie zurück. Manche berichteten, daß sie noch ein par Monde lang in jener alten Kate in dem großen, tiefen und finsteren Walde gelebt hat.
Das Land jedoch verfiel nach dem Erlöschen des Geschlechts der Karolinger immer mehr in Habgier, Gewalt und gedungener Knechtschaft. Und bald eroberten es Krieger mit blau bemalten Gesichtern, nördliche Barbarenstämme und räuberische Ritter, und unterwarfen das Volk, bis hundert Jahre später neue Könige kamen, einen großen Kaiser beriefen, welcher das Volk befreite, das Land einte und unter den Geboten GOttes regierte.
Wertruds Burg aber, so wurde später berichtet, stand noch ein par Jahre verlassen und verwaist da, mit den verborgenen Schätzen tief unten in den Gewölben, bis eine große Regenflut kam und den nahen Fluss so weit über die Ufer treten ließ, daß sich um die Burgmauern herum ein großer See bildete, in
dem die Feste schließlich für alle Ewigkeit versank.
Andere glaubten, die Feste verfiel auf dem Hügel, auf welchem sie getanden, und die Jahrhunderte bedeckten ihre Mauerreste.
Der See aber soll noch heute an dieser Stelle im Gaulande liegen. In ihm sollen zur Erinnerung an die drei Brüder, die Söhne König Clodewigs, Conrad, Gilhard und
Carolus, drei grüne Inseln liegen. Eine große, eine mittlere und eine kleine, sowie eine noch kleinere, bescheiden knapp unter der
Wasserfläche liegend, für die Prinzessin Wertrud.
Zur besonderen Erinnerung an die ehrliche, gütige Königin aber soll ein par Stunden Weg entfernt des Sees eine kleine
Siedlung entstanden sein. Diese soll als beschauliches Dörflein auch noch heute im Lande eingebettet liegen.
Nun mag mancher diese Geschichte für eine erfundene, fantastische, oder einfältige Mär aus uralter Zeit halten. Dies sei ihm wohl gestattet. Andere, die an Märchen und Sagen glauben,
halten sie für wahr. Und jenen, die an die Wahrheit dieser Erzählung glauben, sei an dieser Stelle folgendes offenbart.
Im schönen Bayernlande liegt ein Dörfchen, Söchtenau benannt, wo einst die Siedlung als Erinnerung an Königin Wertrud entstanden sein könnte. Aber auch die Zweifler sind eingeladen, sich davon zu überzeugen, daß dieses Dorf noch heute den Drachen Faungor und den Schlüssel des Reiches in den Farben seines Wappenschildes führt.
Viele Leute sehen heute, in der fortschrittlichen, modernen Zeit, unbekannte, eigenartige fliegende Lichter am Himmel. Und einige von ihnen behaupten, sie haben Faungor gesehen, wie er mit einem Schlüssel um den Hals Feuer speiend am nächtlichen Himmel umher fliegt, und noch immer nach jenem würdigen und gütigen Menschen sucht, der das alte Reich der Karolinger als neuer König wieder auferstehen lässt und zu neuer Blüte unter GOttes Gnaden führt.
Ein par Menschen glaubten sogar, Faungor erkannt zu haben, wie er immer wieder als Amphibien- Tier aus dem See über der alten Burg stieg, oder für einen kurzen Augenblick aus einem kalten See weit im Norden einer großen Insel im Meer auftauchte. Allein und wahrhaftig der Name der Karolinger überdauerte in alten und neu verfassten Schriften die Jahrhunderte.
Doch wer weiß – vielleicht entdeckt irgendwann ein aufmerksamer Mensch die Reste von Burg und Drachen, oder den goldenen Schlüssel, und tut so der Wahrheit kund.


Ende




Diese Geschichte ist eine frei erfundene Mär, und meiner holden Frau zu Widmung gereicht, welche alte Märchen und Erzählungen sehr liebt, und daselbst ist weise und voll der Liebe und Güte, wie GOtt der Herr sie den Menschen angedacht.
Diese Geschichte mag tatsächlich so geschehen sein, oder nicht. Es ist nicht von Bedeutung. Allein den Sinn, welcher aus ihr spricht, mag sich mancher Landesherr der heutigen Zeit anheim führen, so er diese Welt ein Stück GOtt gefälliger, erträglicher und lebenswerter mache.

In gutem Gedanke, der Verfasser




© Alle Rechte an dieser Geschichte bei Frank Adlung, Braunschweig

 
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