Liebe liegt in der Luft
Für mein Sternchen


Der Mai zieht ins Rottenland,
das Licht hat den Winter besiegt,
umkränzt vom blumigen Gewand
das Dörfli zwischen Matten liegt.

Die Sonne wollte nicht länger warten,
hat die farbenfrohe Blütenpracht
dort, beim alten Haus, im Garten
als Frühlingsovertüre entfacht.

Im Schnee liegen noch die Berge,
leuchten hell über saftgrünen Weiden,
doch schon zieht die Geissenherde
über der Hänge Wasserscheiden.

Im Garten der alte Senn sich rührt,
beim morgendlichen Sonnenschein,
trotz seines Lebens Herbst er spürt:
Vorbei sind Winters Zipperlein.

Er schaut zur alten Vogeltränke,
die in säulenart reich verziert
neben rot blühender Efeuränke
in der Maiensonne sich platziert.

Ein Vöglein läßt sich dort nieder,
blickt scheu umher, plustert sich,
putzt sein bläuliches Gefieder,
planscht im Wasser abenteuerlich.

Dann sitzt der kleine Meiserich
am Rand der barocken Schale,
wärmt in der jungen Sonne sich
nach dem ausgelassenen Bade.

Der alte Senn beobachtet leise
das Treiben des munteren Gesellen,
was fühlt so eine kleine Meise -
er versucht es sich vorzustellen.

Träumt das kleine Vögelein
Von der ganz großen Liebe?
Wird es wohl im Traumland sein,
zwischen Sehnsucht und Friede?

Seltsam tief berührt den Greis
das Vögelchen und der Blumenduft,
alljährlich wieder, der Senner weiß:
Liebe liegt in der Luft!

Dort hinten, im alten Arvenbaum
erhebt sich verhalten ein Gesang,
läßt Vögelchen und Senner schau'n,
woher kommt der liebliche Klang?

Im Gezweig putzet sich und reckt
eine liebenswerte Vogeldame,
schon hat Meiserich sie entdeckt,
die Schöne, zierlich tugendsame.

Er sieht sie, sie schaut zu ihm,
schon fliegen im Frühlingsreigen
die beiden Vögelchen dahin,
lassen sich vom Senn beneiden.

Ach, wie lange ist das her,
als er so verliebt gewesen,
einem Mädchen hatte damals er
das Verlobungswort gegeben.

Sehnsüchtig nach dem Vogelpaar
schaut er mit Tränen im Blick,
so schön und ausgelassen war
damals auch sein eigenes Glück.

Verspielt jagt das Vogelpärchen
durch die frühlingshaften Lüfte,
landet auf den Ziegenpferchen,
hinter denen schon der Senner küßte.

Weiter geht die Liebesjagd
auf des Heustadels Gebälk,
was der Meiserich im Fluge wagt,
der Meisendame wohl gefällt.

Auf der Leiter zum Vorratsboden
sie ihm leise ins Gefieder knufft,
beide spüren im frechen Toben:
Liebe liegt in der Luft!

Das Meisenmädchen fliegt behende
mit neckischem Zwitschern laut,
auf das hölzerne Dachgestände,
von wo sie auf ihren Liebsten schaut.

Der folgt ihr im Sekundenlauf,
fliegt der Schönen hinterdrein,
lächelnd schaut der Senn hinauf,
denkt: Das muß Liebe sein!

Ja gerade so, wie die Vögelchen,
hatte auch er im Himmel geschwebt,
mit dem süßen Sennenmädchen,
das noch in seinem Herzen lebt.

Das Meisenpaar saust vom Dach
hinunter auf die Alpenrosen,
in den rosa Blüten tausendfach
sieht der Alte sie liebkosen.

Der Meiserich nimmt seine Braut
liebevoll in seine starken Flügel,
verliebt hat sie ihn angeschaut,
durch einen rosaroten Spiegel.

Der Alpsenn schaut gar väterlich
dieser jungen, flüggen Liebe zu,
besinnt der schönen Zeiten sich -
an sein erstes Rendezvous.

Viel zu früh ward gebracht
seine Liebste zur ewigen Ruh',
seither ihr Grab bewacht,
die hohe, steile Felsenfluh.

Seine Vreni hat er nie vergessen,
sie lebt weiter in dem Meisenpaar,
durch diese beiden munter kessen
Vögel ist sie ihm noch immer nah.

Ihr verliebtes Singen klingt
im Chor mit dem tiefen Summen,
das von erwachten Bienen dringt
aus dem Teppich bunter Blumen.

Der Alte lauscht dem Liederspiel,
das seine Vreni oft gesungen,
bevor sie in den Felsspalt fiel,
über den sie fröhlich gesprungen.

Auch die Murmeltiere steigen
aus des Winterschlafes Gruft,
sie hörten das Lied der Meisen:
Liebe liegt in der Luft!

Gemeinsam schauen sie zu,
wie Vögelein das Nestchen baut,
Der Senn murmelt in Ruh:

"Ich hatte es doch gewußt,
die schöne Meisin wird seine Braut,
denn Liebe liegt in der Luft!"

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